StartNachrichtenMarktEU-Zölle sollen 430 Euro pro Tonne erreichen

EU-Zölle sollen 430 Euro pro Tonne erreichen

Stickstoffdünger aus Russland und Belarus – Copa und Cogeca warnen vor neuer Agrarkrise
Von Redaktion
Ziel der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zölle auf Agrarwaren und Düngemittel aus Russland und Belarus ist es, die Abhängigkeit von beiden Ländern schrittweise zu reduzieren. Foto: Imago

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zölle auf Agrarwaren aus Russland und Belarus fokussieren in erster Linie stickstoffhaltige Düngemittel. Hauptziel sei es, die Abhängigkeit der EU von den beiden Drittstaaten deutlich zu reduzieren, unterstreichen Kommissionskreise. Dafür könnten die Zollsätze nach einer Übergangsphase von drei Jahren um bis zu 430 €/t ansteigen. Geplant ist, bereits am 1. Juli des laufenden Jahres mit der schrittweisen Anhebung zu beginnen. Rat und Europaparlament müssen den Kommissionsvorschlägen allerdings noch zustimmen.

Die geplanten Abgaben zielen vor allem auf stickstoffhaltige Düngemittel mit den Zollnummern KN-Code 3102 sowie KN-Code 3105. In der Gruppe mit dem KN-Code 3102 sind vor allem verschiedene Harnstoff- und Ammoniumnitratpräparate sowie Mischungen aus beiden zusammengefasst. Düngemittel mit dem KN-Code 3105 enthalten neben Stickstoff vor allem Kali und Phosphor. Für beide Produktgruppen soll der Wertzollsatz von bisher 6,5 % für Lieferungen aus Russland und Belarus beibehalten werden. Als Berechnungsbasis wird also der jeweilige Marktwert herangezogen.

Darauf aufbauend sollen spezifische Zölle eingeführt und deren Sätze schrittweise angehoben werden. Damit soll laut den Kommissionsbeamten den Landwirten in der EU hinreichend Zeit eingeräumt werden, um ihren Düngerbedarf aus anderen Quellen zu decken. Vom 1. Juli 2025 bis zum 30. Juni 2026 sollen bei Produkten mit dem KN-Code 3102 zusätzlich 40 €/t erhoben werden. Für Düngemittel mit dem KN-Code 3105 sind 45 €/t vorgesehen. Diese Zölle sollen dann in „vergleichsweise moderaten“ Schritten bis zum 30. Juni 2028 ansteigen.

Ab dem 1. Juli 2028 sollen die Zollsätze drastisch erhöht werden. Dann sollen 315 €/t auf Düngemittel mit dem KN-Code 3102 und 430 €/t für Waren in der Kategorie 3105 gelten. Diese Sätze sollen den Kommissionsbeamten zufolge in etwa einem Ad-valorem-Zollsatz von rund 100 % entsprechen. Das Ziel ist, die Einfuhren aus Russland und Belarus damit endgültig zu stoppen. Reine Kalidünger sollten derweil vorerst nicht auf die Sanktionsliste kommen, heißt es aus der Brüsseler Behörde. Hier liefert allein Weißrussland bekanntlich mehr als 15 % des weltweiten Bedarfs.

DG Agri: Preisentwicklung im Auge behalten

Derweil erklärt die Generaldirektion für Landwirtschaft (DG Agri) der EU-Kommission, dass man die Preisentwicklungen für Stickstoffdünger genau im Auge behalten werde. Sollte es zu einem deutlichen Anstieg über das Niveau von 2024 kommen, würden mögliche Gegenmaßnahmen geprüft. Hierzu könne eine vorübergehende Aussetzung der Zölle auf die betroffenen Düngemittel infrage kommen, allerdings nur für Produkte, die nicht aus Russland und Belarus eingeführt würden. Als Partnerländer, die die Lücke füllen könnten, weisen Kommissionskreise unter anderem auf den Oman, Algerien und die USA hin.

Bereits seit dem 1. Juli 2024 erhebt die Europäische Union Zölle auf russische Getreide- und Ölsaateneinfuhren. Mit dem jetzt präsentierten Vorschlag sollen auch andere Agrarerzeugnisse aus Russland und Belarus ins Visier genommen werden. Kommissionsbeamten zufolge zählen hierzu vor allem Honig, verschiedene Nebenprodukte der Zuckerherstellung, Nüsse sowie diverse Tierfette. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Zöllen sollen auf die beschriebenen Produktgruppen Zölle von 50 % des Warenwertes entfallen. Anders als bei den beschriebenen Stickstoffdüngern werden die Auswirkungen der Zölle auf die beschriebenen Erzeugnisse für den EU-Binnenmarkt von der Kommission als vernachlässigbar eingestuft.

Der Industrieverband Agrar (IVA) begrüßte den Vorstoß der EU-Kommission. Er fordert allerdings auch, dass neben Stickstoffdüngern auch Kalidüngemittel umfassender miteinbezogen werden sollten. Nach Angaben des IVA hat Deutschland im Wirtschaftsjahr 2023/24 insgesamt gut 924.000 t an stickstoffhaltigen Düngern eingeführt. Das seien zwar 10,2 % weniger als im vorherigen Wirtschaftsjahr gewesen; allerdings immer noch 17,6 % mehr als in der Saison 2021/22. Aus Russland kamen demnach zuletzt nachweislich gut 140.000 t, nach mehr als 185.000 t im Vorjahr und nur knapp 57.000 t in der Kampagne 2021/22. Allerdings gibt der IVA zu bedenken, dass Sekundärimporte, die Deutschland über die Niederlande oder Belgien erreichten, durch die amtlichen Zahlen nicht nachvollziehbar seien, weshalb die tatsächlichen Zahlen noch höher ausfallen könnten.

Auch nach Frankreich sind die russischen Düngemittellieferungen in den vergangenen beiden Jahren höher ausgefallen als vor Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022. Dem Verband der französischen Düngemittelhersteller (Unifa) zufolge wurden im Zeitraum Januar bis November 2024 insgesamt rund 511.000 t Düngemittel aus Russland eingeführt. Im Gesamtjahr 2023 waren es sogar 757.000 t, während es vor drei Jahren 402.000 t gewesen waren.

Allerdings stellt ähnlich wie der IVA auch Unifa fest, dass diese Zahlen zu niedrig angesetzt sein könnten, da die innergemeinschaftlichen Handelsstatistiken keine genauen Angaben zu den Herkunftsländern enthielten. Von den 750.000 t, die 2023 importiert wurden, entfiel dem Verband zufolge der größte Teil auf Stickstoffdünger, nämlich rund 490.000 t. Es folgten die Mehrnährstoffdünger mit 220.000 und Kalidünger mit 47.000 t.

Erwartbare Kritik aus dem Berufsstand

Als „katastrophal“ bezeichnen derweil die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) den Kommissionsvorschlag. Neben zu erwartender Kritik an den Zollplänen auf Stickstoffdünger aus Russland und Belarus beklagen die Dachverbände fehlende Maßnahmen zur Diversifizierung der Bezugsquellen. Sie drängen weiterhin auf die unmittelbare Abschaffung der Antidumpingzölle auf Einfuhren von Harnstoff, Ammoniumnitrat und HAN-Gemischen aus den USA sowie Trinidad und Tobago. age

WEITERE ARTIKEL
- Anzeige -
- Anzeige -

Meistgeklickt