Die Erzeugerpreise für Getreide dümpeln seit Monaten auf einem produzentenfeindlichen Niveau um die 200 €/t herum vor sich hin. Auch die Matif-Kurse haben sich in diesem Jahr nicht, wie in den vergangenen Jahren üblich, nach der Ernte wieder richtig erholt. Eine kleine Ausnahme gab es in der ersten Oktoberhälfte, da erreichten die Börsenkurse des Dezember-Termins die 230-€/t-Marke. Noch düsterer zeigte sich der Kursverlauf an der CBoT in Chicago. Dort fiel der Weizen in der vergangenen Woche fast bis auf das Mehrjahrestief von Ende August ab.
Bessere Wetterverhältnisse drücken auf die Kurse
Gerade beginnt wieder die Zeit, in der die aktuellen Schätzungen zu den Bestandsentwicklungen in den wichtigsten Anbaugebieten der Welt die Kurse massiv beeinflussen. So haben die aktuellen Niederschläge in den USA, Argentinien und der Schwarzmeer-Region dafür gesorgt, dass dürrebedingte Ertragsausfälle in diesen Regionen jetzt nicht mehr eingepreist werden, weil sich die Bestände nun deutlich besser entwickeln als bisher angenommen. So haben die Analysten von SovEcon die Ernteprognose für die nächste Ernte in Russland von 80,1 auf 81,6 Mio. t korrigiert. In Frankreich haben die massiven Regenfälle der letzten Zeit Anfang November nachgelassen, was zu deutlich besseren Aussaatbedingungen geführt hat. Auch die aktuell laufende australische Ernte fällt besser aus als erwartet.
Enge Erntebilanz erwartet
In Russland allerdings bleibt das Niederschlagsdefizit beträchtlich, was in Kombination mit den schlechten Preisen zu einem deutlichen Rückgang der Winterweizenanbaufläche zur Ernte 2025 führt. Auch weltweit gesehen bleibt die Erntebilanz sehr eng. So rechnet das USDA 2024/25 mit einem weltweiten Verbrauch von 802,5 Mio. t. Demgegenüber steht für den gleichen Zeitraum eine geschätzte Produktion von 794 Mio. t. Das bedeutet, wir haben es mit einem steigenden Verbrauch und einer sinkenden Produktion zu tun. Um diese steigende Nachfrage zu bedienen, müssten in den nächsten Jahren Rekordernten erzielt werden. Wenn es hier nicht zu Produktionsanreizen in Form von höheren Weizenpreisen kommt, werden die globalen Endbestände in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen.
Wie könnte es weitergehen?
Einer der entscheidendsten Einflussfaktoren auf die globalen Getreidepreisentwicklungen sind die russischen Erntemengen, die auf den Exportmarkt drängen. Aktuell ist das russische Exporttempo extrem hoch. Dies hat auch mit dem Verkaufsverhalten der russischen Landwirte zu tun, denn sie sind momentan trotz des niedrigen Preises an einer schnellen Vermarktung ihrer Ernte interessiert, da sie ihre Einnahmen zu einem Zinssatz von bis zu 25 % anlegen können. So verwundert es nicht, dass Russland bereits jetzt die Hälfte der bis zur nächsten Ernte zur Verfügung stehenden Weizenmenge exportiert hat. Diese Exportgeschwindigkeit wird sich zu Anfang des nächsten Jahres deutlich verlangsamen, allein schon durch die staatliche Begrenzung der Exportgesamtmenge und die längeren Transportwege aus den inneren Weizenanbaugebieten Russlands. Zusammen mit der engen globalen Erntebilanz sind dies die triftigsten Argumente für steigende Preise. Zudem haben die vergangenen Jahre gezeigt, zu welchen riesigen Preisausschlägen Ernteprognosen in Kombination mit Wetterprognosen führen können. Es liegt nahe zu vermuten, dass es diese Ausschläge auch in der laufenden Vermarktungssaison geben wird, die dann für die Vermarktung genutzt werden können. Allerdings hat sich in dieser Saison auch gezeigt, dass der Weizen einer gewissen „Fremdsteuerung“ durch den Mais unterliegt. So sind die niedrigen Weizenkurse auch in den Rekordernten beim Mais begründet. Es führt also auch zukünftig kein Weg an der Kombination von Geduld und einer intensiven Marktbeobachtung zur Getreidevermarktung vorbei, um die oftmals nicht lange andauernden Chancen nutzen zu können.