Die Blauzungenkrankheit (BT, aus dem Englischen „Bluetongue Disease“) ist die Folge einer Virusinfektion, die bei Wiederkäuern wie Schafen, Ziegen und Rindern auftreten kann. Das dazugehörige Virus, aktuell der Serotyp 3 (BTV-3), wird über die Gnitze, ein zur Familie der Stechmücken gehöriges blutsaugendes Insekt, übertragen. Dies erklärt die schnelle und großflächige Verbreitung des Virus, da die Gnitze durch den Wind oder durch Transport und Handel in kurzer Zeit eine große Strecke überwinden kann.
Aufgrund der klimatischen Bedingungen in Schleswig-Holstein, mit milden und feuchten Wintern, hat die Gnitze hier eine hohe Überlebenschance, sodass auch im nächsten Jahr mit Virusinfektionen bei Wiederkäuern zu rechnen ist.
Primär treten die Infektionen in den Morgen- und Abendstunden der Sommermonate auf, aber auch in kühleren Monaten ist eine Ansteckung der Tiere möglich, da die Gnitze an geschützten Orten, beispielsweise in Stallgebäuden, überwintert. Eine direkte Ansteckung zwischen den Wiederkäuern ist nicht möglich. Aus diesem Grund ist es durchaus möglich, dass nur einzelne Tiere innerhalb der Herde erkranken.
Nach einer Infektion kann es teilweise einige Tage bis Wochen dauern, bis die Krankheit ausbricht. Der Schweregrad der Symptome kann je nach Tierart variieren. Zusätzlich hängt es von weiteren Faktoren wie zum Beispiel dem Serotyp des Virus und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Tieres ab, wie schwer es erkrankt.
Schwerer Verlauf bei Schafen
Bei Schafen nimmt die Krankheit in der Regel einen schwereren Verlauf als bei den Rindern. Hier zeigen sich etwa sieben Tage nach der Infektion die ersten Symptome. Dazu können erhöhte Körpertemperatur, Anschwellen der Zunge, verringertes Fressverhalten, Apathie und Isolierung von der Herde gehören. Außerdem kommt es zu den typischen Schwellungen und Läsionen der Maulschleimhäute, zu vermehrtem Speichelfluss, der sich teilweise in Schaumbildung vor dem Mund äußert, und zu Ödemen im Kopfbereich. Teilweise kann es zu Lahmheitserscheinungen sowie Fruchtbarkeitsstörungen und Aborten kommen. Die Krankheit kann vor allem bei Schafen tödlich verlaufen. Aktuell wird von einer Mortalitätsrate von 30 bis 70 % ausgegangen. Tiere, die von dem Virus genesen sind, entwickeln anschließend gegen den Serotyp eine Immunität.
Bei Rindern verläuft die Infektion im Regelfall deutlich milder als bei Schafen. Teilweise kommt es vor, dass gar keine Symptome auftreten. Auftretende Symptome können unter anderem ein Einbruch der Milchleistung oder Entzündungen der Bindehaut, der Maulhöhle, der Genitalien sowie der Zitzenhaut sein. Auch eine Schleimhautablösung im Maul oder Entzündungen des Klauenkronsaums und eine damit verbundene Lahmheit ist möglich. Eine Infektion bei trächtigen Kühen kann zu angeborenen Missbildungen der Kälber führen. Ein tödlicher Verlauf bei Rindern hat eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit als bei Schafen, ist aber dennoch in Einzelfällen möglich.
Die Blauzungenkrankheit ist eine gelistete Tierseuche gemäß der EU-Verordnung 2016/429 und anzeigepflichtig. Bei Symptomen, die auf eine Infektion hindeuten, sind der Tierarzt und das zuständige Veterinäramt zu kontaktieren.
Drei Impfstoffe auf dem Markt
Der effektivste Schutz vor einer Infektion und somit auch gegen eine weitere Virusausbreitung ist die Impfung. Seit dem 7. Juni sind Impfstoffe per Eilverordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zugelassen worden. Die Impfung wird vom Friedrich-Loeffler-Institut empfohlen.
Es gibt momentan drei Impfstoffe auf dem Markt. Bei Rindern ist jeder Impfstoff in zwei Dosen mit einer Wartezeit von drei Wochen zu verabreichen. Bis zur Grundimmunisierung dauert es bei dem Impfstoff Bluevak-3 weitere drei Wochen. Für die anderen beiden Impfstoffe ist der Zeitraum noch nicht belegt.
Diese drei Impfstoffe sind ebenfalls bei Schafen anwendbar. Bluevak-3 wird, wie bei den Rindern, in zwei Dosen im Abstand von drei Wochen verabreicht und hat eine Zeit bis zur Grundimmunisierung von drei Wochen. Die anderen beiden Impfstoffe, Syvazol BTV 3 und Bultavo 3, werden als Einzeldosierung verabreicht und haben eine Dauer bis zur Grundimmunisierung von vier beziehungsweise drei Wochen.
Durch eine solche Impfung kann allerdings kein vollständiger Schutz vor einer Infektion gewährleistet werden. Sie senkt jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion und mildert die Symptome bei erkrankten Tieren deutlich. Schwere Verläufe bis hin zum Todesfall können dennoch nicht ausgeschlossen werden.
Jede Impfung gegen die Blauzungenkrankheit muss innerhalb von sieben Tagen mitgeteilt werden. Dies ist auch durch den bevollmächtigten Tierarzt über die HIT-Datenbank möglich. Auf Grundlage dieser Erfassung wird eine Zuwendung von 2 € je geimpftem Rind und 1 € je geimpftem Schaf oder Ziege gezahlt. Eine Entschädigungsleistung für an der Blauzungenkrankheit verendete Tiere ist rechtlich nicht möglich.
Und wie reagiert der Markt?
Der Ausbruch der Blauzungenkrankheit hat Einschränkungen im Markt zur Folge. Da der Impfstoff keine EU-Zulassung besitzt, ist eine erleichterte Verbringung in BT-freie Gebiete nicht möglich. Hierfür ist eine Rücksprache mit dem zuständigen Veterinäramt notwendig. Alle Informationen zur Blauzungenkrankheit und zur Verbringung von Tieren sind auf der Webseite des Landwirtschaftsministeriums zu finden.
Auswirkungen auf die Schlachtpreise
Auch auf die Schlachtpreise der Schafe in Schleswig-Holstein hat die Blauzungenkrankheit Auswirkungen. So ist damit zu rechnen, dass der für diese Jahreszeit typische sinkende Preisverlauf in diesem Jahr einen deutlich abgeschwächten Verlauf nimmt und sich beim derzeitigen Preis einpendelt beziehungsweise steigende Tendenzen zu erwarten sind. Dies liegt unter anderem daran, dass im Vergleich zu den Vorjahren momentan weniger Tiere auf den Schlachtmarkt gelangen.
Aktuell bewegt sich der Preis für Schlachtlämmer jedoch nur seitwärts, da Großbritannien erhebliche Mengen Lammfleisch nach Deutschland exportiert. Aber auch dort nehmen die Fälle erkrankter Tiere zu, wodurch zu erwarten ist, dass der Export deutlich zurückgehen wird. Für das nächste Jahr wird bei den Schlachtpreisen der Schafe ein höheres Niveau erwartet. Neben der geringeren Anzahl an Mutterschafen und somit auch Lämmern könnten auch noch nicht absehbare Fruchtbarkeitsstörungen der Mutterschafe und der Böcke infolge einer Blauzungenerkrankung zu einer Verknappung führen.
Der Preis für Schlachtkühe weist eine saisonbedingt sinkende Tendenz auf. Dies wird durch die Blauzungenkrankheit noch verstärkt, da die Milchviehhalter des Öfteren auf ein Ausmisten verzichten. Bei den Milchpreisen ist durch Ertragseinbußen von bis zu 20 % eine preisstützende Auswirkung zu erwarten.