Das Kabinett hat am Dienstag vergangener Woche dem finalen zweiten Entwurf der Gesetzesnovelle zur Energiewende und zum Klimaschutz in Schleswig-Holstein (EWKG) endgültig zugestimmt. Mit der Novelle wird das ambitionierte Koalitionsziel der Klimaneutralität 2040 gesetzlich festgeschrieben. Gleiches gilt für das Ziel von mindestens 45 TWh jährlicher Stromerzeugung an Land durch Erneuerbare Energien ab dem Jahr 2030.
Mit der EWKG-Novelle legt Schwarz-Grün laut Klimaschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) ein Gesetz vor, das die Dringlichkeit der Maßnahmen zeige, aber auch Augenmaß walten lasse. Die Landesregierung reagiert mit der Gesetzesänderung zudem auf veränderte Rahmenbedingungen im Bund. Durch die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie die Verabschiedung des Wärmeplanungs-, des Energieeffizienz- und des Klimaanpassungsgesetzes wurden weitreichende Gesetzesanpassungen auch auf Landesebene notwendig. Der nun beschlossene EWKG-Entwurf wurde nach der Verbändeanhörung und Beteiligung der Träger öffentlicher Belange über den Sommer überarbeitet und wird nun dem Landtag zur weiteren Beratung und Beschlussfassung zugeleitet.
Wichtige Neuregelungen der EWKG-Novelle
Klimaziel: Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der Klimaneutralität 2040 wird im neuen EWKG gesetzlich festgeschrieben.
Ausbauziel für Erneuerbare Energien: Das Ziel von mindestens 45 TWh jährlicher Stromerzeugung aus Erneuerbare Energien an Land ab dem Jahr 2030 wird ebenfalls im EWKG gesetzlich festgeschrieben. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es 20,6 TWh; im Jahr 2012 10,4 TWh.
PV-Standards: Beim Neubau von Wohngebäuden, bei größeren Dachrenovierungen von Nichtwohngebäuden, bei Parkplatzneubauten, -erweiterungen und -sanierungen ab 70 Stellplätzen besteht zukünftig eine Photovoltaik (PV)-Verpflichtung.
Landesverwaltung: Die Verwaltung soll bis 2040 treibhausgasneutral werden. Bis 2030 sollen die Emissionen um mindestens 65 % gegenüber 2015-17 sinken. Dafür sollen die Landesliegenschaften an Wärmenetze angebunden werden und der Anteil energetisch sanierter Gebäude steigen. Bei Baumaßnahmen sollen nachwachsende, recycelte oder recyclingfähige Baumaterialien standardmäßig verwendet werden, wenn sie technisch geeignet sind. Bis Ende 2030 sollen auf diesen Gebäuden PV-Anlagen mit einer Leistung von 12.500 kWp installiert sein.
Klimaneutraler ÖPNV: Bis 2030 fährt der Schienennahverkehr – dies umfasst S-Bahnen oder Regionalbahnen – klimaneutral. Ab 2040 fahren alle Fahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) klimaneutral – auch wenn Verkehrsdienstleistungen von Dritten erbracht werden. Ab 2035 werden Neugenehmigungen für Mietwagen, Taxis und andere Formen des Sammelverkehrs nur noch erteilt, wenn die Fahrzeuge emissionsfrei sind. Dies soll durch die Förderung etwa von Ladesäulen und Wasserstofftankstellen gefördert werden.
Fernwärmeversorgung: Wärmenetzbetreiber sind mit dem neuen EWKG verpflichtet, jede Preisänderung in ein Meldeportal einzugeben. Ein neues Online-Portal zeigt den Ausbau der Wärmenetze, um die Wärmewende öffentlich darzustellen. Zudem müssen Fernwärmeunternehmen, die aufgrund überdurchschnittlich hoher Betriebskosten und ineffizient betriebener Netze hohe Preise nehmen, einen Sanierungsfahrplan für ihr Wärmenetz vorlegen, um Ursachen für die hohen Kosten zu beseitigen.
Klimafreundliches Heizen: 15 % der Wärmeversorgung bestehender Gebäude müssen weiterhin aus Erneuerbaren Energien stammen, bis die weitergehenden Verpflichtungen des GEG greifen. Ist dieser 15-%-Anteil gegeben, kann neben der Wärmepumpe, Solarthermie oder Fernwärme auch übergangsweise eine Öl-, Gas- oder elektrische Heizung genutzt werden.
Wärmeplanung: Für die laut Wärmeplanungsgesetz des Bundes vorgeschriebene Wärmeplanung werden die Gemeinden verantwortlich sein. Dafür erhalten sie über das Land Bundesmittel in Form eines finanziellen Ausgleichsbetrags von 17 Mio. €. Für die Umsetzung gilt das Zieljahr 2040: Wärmenetze müssen in Schleswig-Holstein – entsprechend dem im Gesetz verankerten Klimaziel – spätestens ab 2040 klimaneutral betrieben werden, der Anteil der Erneuerbaren bei 100 % liegen. Dabei bietet das Land Unterstützungen und Förderungen an und sieht zudem für die Wärmeplanung kleiner oder von Wärmenetzen abgeschnittener Kommunen Erleichterungen vor:
Für Gemeinden, die wahrscheinlich keinen Anschluss an ein Wärme- oder Wasserstoffnetz erhalten, gibt es die Möglichkeit eines verkürzten Verfahrens für die Wärmeplanung.
Gemeinden, die kleiner als 10.000 Einwohner (Stand 1. Januar 2024) sind, können ein vereinfachtes Verfahren durchlaufen: Dies ermöglicht es etwa, die Öffentlichkeitsbeteiligung zu vereinfachen. Nicht mehr vorgeschrieben sind die Wärmeverbrauchsdatenerfassung, die Darstellung der Baualtersklasse der Gebäude und der Letztverbraucher.
Mit der Kabinettsbefassung wurden die Möglichkeiten vereinfachter Verfahren besonders für kleinere Kommunen erweitert. Das Land ermöglicht es benachbarten Kommunen, eine gemeinsame Wärmeplanung durchzuführen (Konvoi-Verfahren). Dabei können die Gemeinden die Aufgabe an das zuständige Amt oder den Kreis übertragen. Bereits verpflichtete Kommunen erhalten ein Wahlrecht, ob sie nach dem bisherigen EWKG (Ende 2024 oder Ende 2027) ihre Wärmeplanung machen oder nach dem WPG (2025 oder 2028). Bereits vorgelegte Wärmepläne haben Bestandsschutz.
Anpassung an den Klimawandel: Durch die Umsetzung des Klimaanpassungsgesetzes müssen Kreise und kreisfreie Städte bis zum 30. September 2029 Klimaanpassungskonzepte erstellen. Dafür erhalten sie eine einmalige Zahlung in Höhe von 150.000 €. Diese Klimaanpassungskonzepte müssen mindestens folgende Elemente enthalten: Eine Klimarisikoanalyse oder eine vergleichbare Entscheidungsgrundlage, eine Darstellung der Handlungsfelder, in denen Anpassungsbedarf besteht, einen Maßnahmenkatalog zur Umsetzung des Klimaanpassungskonzepts.
Biologischer Klimaschutz: Weil Moore Kohlenstoff speichern und als Wasserspeicher bei der Klimaanpassung helfen, sollen sie geschützt und renaturiert werden. Auch Humus soll als Kohlenstoffspeicher und -senke erhalten und aufgebaut werden. Künftig soll das Gesetz die Anpassung an den Klimawandel ebenfalls berücksichtigen und daher „Gesetz über die Energiewende, den Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ heißen.