Nutztiere verursachen neuesten Schätzungen der FAO zufolge 14 % aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen. In Deutschland ist der Beitrag der Nutztiere zwar nur halb so groß, aber das liegt auch daran, dass die anderen Sektoren (zum Beispiel Verkehr, Industrie) mehr emittieren als im globalen Durchschnitt. Es besteht also kein Zweifel, dass die Tierhaltung einen Beitrag zur Reduzierung der Emissionen leisten muss. Gleichzeitig wächst der weltweite Bedarf an Lebensmitteln derart stark, dass die Tierhaltung noch deutlich mehr produzieren muss, selbst wenn alternative Nahrungsquellen massiv ausgebaut werden.
Hinzu kommt die Verknappung der landwirtschaftlichen Nutzfläche aufgrund des globalen Bevölkerungswachstums bei gleichzeitigem Verlust durch Versiegelung, Erosion und Desertifikation. Letzteres wird vom Klimawandel sogar noch beschleunigt. Die Kombination aus Klimawandel und Verknappung von Nutzflächen bedroht die Ernährungssicherheit der Menschheit und könnte weltweite Migrationsbewegungen von ungeahntem Ausmaß auslösen. Auch Deutschland ist von der Verknappung an Nutzflächen indirekt betroffen, denn unser Konsum an Lebens- und Futtermitteln verbraucht weit mehr Nutzflächen, als wir in Deutschland überhaupt besitzen (zirka zwei Drittel).
Die Veredelungswirtschaft gerät unter Druck
Trotz der bedrohlichen Verknappung von Nutzflächen werden derzeit etwa 40 % der globalen Ackerflächen zum gezielten Anbau von Futtermitteln verwendet. Dies hat seine Wurzeln in den großen Erfolgen der Landwirtschaft seit Mitte des vorigen Jahrhunderts. Damals hatten Mechanisierung, Düngung, Pflanzenschutz, Pflanzenzüchtung und so weiter die Pflanzenproduktion derart gesteigert, dass zum Beispiel Getreide praktisch unbegrenzt zur Verfütterung an Nutztiere bereitstand. Daraus entwickelte sich die Veredelungswirtschaft, in der qualitativ hochwertige pflanzliche Ernteprodukte in noch hochwertigere Lebensmittel tierischer Herkunft transformiert werden.
Die Veredelungswirtschaft gerät jedoch zunehmend unter Druck. Die wachsende Weltbevölkerung beansprucht die auf der limitierten Ackerfläche erzeugten Ernteprodukte zunehmend für den eigenen Konsum. Darüber hinaus scheint der Fortschritt der Pflanzenproduktion zum Stillstand gekommen zu sein, nicht zuletzt auch wegen des Klimawandels. Insgesamt wird die wachsende Limitierung der Ressourcen (vor allem der Nutzfläche) die Nutztierhaltung von der Veredelungswirtschaft zunehmend in Richtung Kreislaufwirtschaft zwingen.
Die Verknappung der Ressourcen
Unsere Ernährung beruht so gut wie vollständig auf der Biomasse von Pflanzen aus Landwirtschaft und Gartenbau. Allerdings kann man diese Biomasse nur in Form intakter Pflanzen(teile) ernten und muss die eigentliche pflanzliche Nahrung daraus erst noch mühevoll extrahieren. Dieser Prozess beginnt bereits auf dem Acker (zum Beispiel durch Mähdrescher) und setzt sich mit der Verarbeitung der Ernte in der Lebensmittelindustrie fort (zum Beispiel in der Mühle). So landet etwa nur ein Drittel der Biomasse aus dem Anbau von Brotweizen tatsächlich im Brot, während der überwiegende Teil als nichtessbare Biomasse zurückbleibt (Stroh, Kleie). Jede Form von Nahrungsproduktion hinterlässt unvermeidlich große Mengen an Biomasse, die schlichtweg für Menschen nicht essbar ist.
Die nichtessbare Biomasse können wir an Nutztiere verfüttern, die daraus wiederum essbare Biomasse erzeugen (Fleisch, Milch, Eier). Nutztiere erweitern somit den Gesamtertrag an Nahrung aus der ursprünglich vorhandenen pflanzlichen Biomasse. Dies ist die fundamentale Rolle der Nutztiere in unserem Ernährungssystem. Wir könnten die nichtessbare Biomasse aber auch energetisch nutzen (durch Verbrennung, Biogaserzeugung). Dies ist jedoch ineffizient, denn der Brennwert der geernteten pflanzlichen Biomasse speichert allenfalls bis zu 3 % der auf die Fläche eingestrahlten Sonnenenergie.
Die Verknappung der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird dazu führen, dass auch die pflanzliche Biomasse immer knapper werden wird. Ihre Bedeutung als Nahrungsquelle für den Menschen wird steigen, und wir werden uns bei ihrer Verwertung immer stärker an der Nutzungskaskade Teller > Trog > Tank orientieren müssen. Das primäre Ziel ist die direkte Gewinnung von pflanzlicher Nahrung für den Menschen (Teller). Die dabei unvermeidlich anfallende nichtessbare Biomasse wird an Nutztiere zur Gewinnung weiterer Lebensmittel verfüttert (Trog). Am Ende steht die Energiegewinnung (Tank) aus Biomasse, die zur Erzeugung von Nahrung nicht (mehr) geeignet ist.
Nichtessbare Biomasse – reichlich vorhanden
Bereits bei der Ernte auf dem Acker fallen große Mengen an nichtessbarer Biomasse an. Diese Koppelprodukte (zum Beispiel Stroh) machen meist mehr Masse aus als die Ernteprodukte selbst. Bei der Weiterverarbeitung der Ernteprodukte zu den finalen Lebensmitteln fallen nochmals große Mengen an Nebenprodukten an (zum Beispiel Kleie, Extraktionsschrote). Sie machen etwa ein Drittel der verarbeiteten Erntegüter aus und sind eine wichtige Quelle an hochwertigen Futtermitteln für Nutztiere.
Hinzu kommt die Biomasse aus der Gründüngung, insbesondere im biologischen Landbau. Dauergrünland ist eine weitere wichtige Quelle an nichtessbarer Biomasse. In Deutschland bestehen etwa 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus Dauergrünland, weltweit sind es etwa 70 %. Der größte Anteil des Dauergrünlands ist aus topografischen und klimatischen Gründen nicht ackerfähig und konkurriert somit nicht mit der Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel.
Insgesamt hinterlässt 1 kg pflanzlicher Lebensmittel mindestens 4 kg nichtessbarer Biomasse. Vegane Lebensmittel sind davon keineswegs ausgenommen. So landet nur etwa ein Sechstel der Biomasse aus dem Anbau von Hafer im Haferdrink. Bei Seitan, dem Eiweißextrakt aus Weizen, der zur Herstellung veganer Wurst- und Fleischimitate verwendet wird, sind es weniger als 10 %. Auch hier gilt: Alle pflanzlichen (veganen) Lebensmittel hinterlassen entlang ihrer Erzeugung vom Acker über die Weiterverarbeitung bis zum finalen Produkt ein Vielfaches ihrer Masse an nichtessbaren Nebenströmen.
Kreislaufwirtschaft mit Nutztieren
Die nichtessbare Biomasse enthält große Mengen an Pflanzennährstoffen, die der Nutzfläche wieder zurückgegeben werden müssen. Das kann über Verrotten auf dem Feld geschehen, über Biogasanlagen und Ausbringung der Gärreste oder Verfütterung an Nutztiere und Rückführung der Wirtschaftsdünger. Der Stoffkreislauf über Verrottung hat jedoch nur eine geringe Düngereffizienz und hinterlässt deshalb auch schwache Ernten, während mit Gärresten oder Wirtschaftsdüngern etwa doppelt so viel geerntet werden kann.
Aber nur über die Verfütterung an Nutztiere bekommt man aus nichtessbarer Biomasse zusätzliche Lebensmittel. Der Gesamtgewinn an Kilokalorien und Nahrungseiweiß aus derselben landwirtschaftlichen Nutzfläche steigt dadurch um mindestens die Hälfte, und zwar ohne Konkurrenz zur pflanzlichen Nahrung.
Methan der Wiederkäuer kann klimaneutral sein
Wiederkäuer können die nichtessbare Biomasse optimal verwerten, emittieren jedoch Methan (CH4). In der Tat ist CH4 ein stärkeres Treibhausgas als CO2, aber es wird in der Atmosphäre rasch abgebaut. Bei konstanter Anzahl an Tieren beziehungsweise konstanter Emissionsrate stehen Freisetzung und Abbau im Gleichgewicht, sodass sich die Temperatur der Atmosphäre nicht ändert.
Demgegenüber reichert sich das langlebige CO2 nach Freisetzung aus fossilen Quellen in der Atmosphäre an und erwärmt diese kumulativ. Das primäre Ziel des Klimaschutzes muss also darin liegen, die Anzahl an Wiederkäuern gemäß der Nutzungskaskade Teller > Trog > Tank konstant zu halten. Unter dieser Bedingung verhält sich das CH4 dieser Tiere praktisch klimaneutral.
Schaden Nutztiere Umwelt und Klima?
Die nichtessbare Biomasse unterliegt dem Stoffkreislauf und setzt den darin gebundenen Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und so weiter wieder frei, egal ob sie verrottet oder über Biogas beziehungsweise Nutztiere verwertet wird. Der Verzicht auf die Verfütterung der nichtessbaren Biomasse an Nutztiere hat somit keine entlastende Wirkung auf Umwelt und Klima. Der entscheidende Unterschied ist jedoch der Verlust an Lebensmitteln, die von den Nutztieren erzeugt wurden.
Zum Ausgleich müsste deshalb ein intensiverer Pflanzenbau betrieben oder mehr Ackerfläche verbraucht werden. Die Emissionen zur Ernährung einer bestimmten Anzahl an Menschen würden somit wieder ansteigen. Aber auch in der gegenwärtigen Situation mit unserer intensiven Tierproduktion auf der Basis von Nahrungskonkurrenz und Landnutzungsänderung verursachen wir zur Ernährung derselben Anzahl an Menschen mehr Emissionen, als wenn wir die Tierproduktion auf das Kaskadenprinzip Teller > Trog > Tank beschränken würden.
Fazit
Die begrenzt verfügbare Nutzfläche sollte bei möglichst geringer Umwelt- und Klimawirkung möglichst viele Menschen ernähren. Dies gelingt nur in einer Kreislaufwirtschaft, bei der Pflanzenbau und Nutztiere gemäß dem Prinzip Teller > Trog > Tank im Gleichgewicht stehen. Damit geht allerdings auch eine Limitierung von Menge und Qualität des verfügbaren Futters einher und folglich auch eine Drosselung der Gesamtmenge an tierischen Produkten, insbesondere bei Geflügel und Schwein. Bei Wiederkäuern sind dagegen nur relativ geringe Einbußen zu erwarten, denn Grünland steht weiterhin ohne Konkurrenz zum Ackerbau zur Verfügung. Damit gewinnt die Futtereffizienz der nichtessbaren Biomasse stark an Bedeutung. Es kommt in Zukunft darauf an, diese Biomasse durch Pflanzenzüchtung und geeignete Anbau-, Ernte- und Konservierungsverfahren bei möglichst hohem Futterwert zu erschließen und in Tierhaltungssystemen möglichst effizient zu verwerten. Insgesamt geht es um die Balance der Nutztierhaltung innerhalb des Ernährungssystems, in dem die Biomasse als eine regenerierbare Ressource gehandhabt wird, die nicht verschwendet werden darf, weder die essbare noch die nichtessbare. Genau darum brauchen wir die Nutztiere.