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Europa zum Anfassen

Erasmus+ in der Forstwirtausbildung
Von Dr. Borris Welcker, Landwirtschaftskammer SH
Hoch hinaus: die Forstwirt-Azubi-Gruppe aus Schleswig-Holstein im schwedischen Gebirge Fotos: Dr. Borris Welcker

„Was habe ich persönlich von der EU?“ So oder ähnlich lautete eine im Vorfeld der Europawahl im Juni in den Medien diskutierte Frage. Aus der großen Zahl möglicher Antworten soll im Folgenden ein konkretes Beispiel herausgestellt werden: Das EU-Bildungs-Förderprogramm Erasmus+ unterstützt und ermöglicht Bildungsabschnitte im Ausland. Die Forstabteilung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) nutzt diese Möglichkeiten seit fast zwei Jahrzehnten.

Mittlerweile ist die ganze LKSH als Bildungsanbieter für Erasmus+-Projekte akkreditiert. Das heißt, dass Lernende und Lehrende aller Grünen Berufe unseres Bundeslandes, soweit eine Verbindung zur Landwirtschaftskammer besteht, Projekte für einen Ausbildungsabschnitt im Ausland entwickeln und mit Unterstützung aus EU-Geldern durchführen können.

Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt, im Fall von Mobilitätsprojekten also zum Beispiel mit einer Idee, einem Wunsch, etwas im Ausland kennenzulernen, oder einer Bekanntschaft mit Bildungskollegen eines anderen Landes. Auf dieser Grundlage kann dann Schritt für Schritt ein Projekt, eine Partnerschaft oder ein intensiver, beidseitiger Austausch von Menschen und Wissen entstehen.

Langjährige Forstschulpartnerschaft

So entstand vor über 20 Jahren auch der Kontakt der Lehranstalt für Forstwirtschaft (LAF) mit einer Forstschule in Schweden. Mit der Naturbruksskolan Svenljunga aus der Provinz Westergötland besteht nun schon viele Jahre eine intensive und freundschaftliche Partnerschaft mit vielen Facetten.

Es wurde in der Vergangenheit in einem Forschungsprojekt zum digitalen Lernen zusammengearbeitet, neun Gruppen von Forstwirt-Auszubildenden aus Bad Segeberg waren im Laufe der Jahre für mehrere Wochen zum Unterricht in Schweden, mehrere Gruppen schwedischer Schüler waren schon in Schleswig-Holstein zu Gast und regelmäßig nahmen auch Lehrkräfte beider Schulen an den Mobilitätsprojekten teil. Auch dies wird als „Job-Shadowing“ gefördert.

Seit der Anschaffung eines Forstmaschinen-Simulators für die LAF Bad Segeberg spielt auch der Wissenstransfer zur Lehre mit diesem hochmodernen Schulungsgerät eine große Rolle. Neben Expertenbesuchen aus Schweden war ein Arbeitslehrer der LAF im März zu einer einwöchigen Intensivschulung in Svenljunga. Warum sollten nicht auch andere Grüne Berufe von ähnlichen Lehr- und Lernaustauschen profitieren?

Auszubildende in Schweden

Seit Anfang Juni sind die fünf diesjährigen Austausch-Forstazubis wieder in Deutschland. Sie haben in den vorangegangenen sieben Wochen seit Mitte April an der Naturbruksskolan in Svenljunga und auf kürzeren und längeren Exkursionen in Schweden eine Vielzahl neuer Eindrücke gesammelt und sehr viel Neues gelernt, was in Deutschland in dieser Form nicht zu finden ist. Pflanzenanzucht, Waldbau, Pflege- und Durchforstungsformen der Skandinavier unterscheiden sich teilweise wesentlich vom Vorgehen in Deutschland. Insbesondere aber die Ernte im Kahlschlagsverfahren ist in Deutschland meist nur noch nach großen Waldschäden zu finden.

Die Arbeit mit forstlichen Großmaschinen wird an schwedischen Forst­schulen als Basiskompetenz unterrichtet.

Die Herausforderung liegt nun darin, deutsche und schwedische Verhältnisse miteinander zu vergleichen und zu erkennen, welche Unterschiede warum auftreten. Dies wurde von den angehenden Forstwirten der LAF gut gemeistert. Natürlich gilt Ähnliches auch in den vielen anderen Lebensbereichen, in die die deutsche Gruppe Einblick gewonnen hat, von der urwüchsigen, beeindruckenden Natur des Nordens über das „Vildmarksliv“ mit Lagerfeuer, Angeln und mehr bis zu kulturellen Aspekten in Stockholm oder Göteborg.

Ein Kernbereich des Austausches war natürlich wieder der praktische Lehrgang mit forstlichen Großmaschinen, vor allem dem Kurzholzrückezug (Forwarder). Dieser aufwendige Lehrgang ist besonders wertvoll, da entsprechende Maschinen für den realen Lehrbetrieb in Schleswig-Holstein nicht zur Verfügung stehen. Dies bedeutet aber auch einen erheblichen zusätzlichen Kostenaufwand. Durch eine großzügige Unterstützung der Hermann-und-
Lydia-Früchtenicht-Stiftung war es möglich, die Eigenbeteiligung der Auszubildenden für die Lehrgangskosten erneut auf einem Niveau zu halten, das jeder Teilnehmer problemlos stemmen konnte.

Beachtliches Netzwerk aufgebaut

Auslandsprojekte führen zu fachlichem Mehrwert, aber auch zu persönlichem Gewinn. Die vielen Kontakte, die durch die Erasmus+-Mobilität der LAF bereits zustande gekommen sind, bilden mittlerweile ein beachtliches Netzwerk. Das gilt für die Lehrkräfte untereinander, aber auch für die ehemaligen Auszubildenden oder die Organisatoren mit ihren vielen externen Ansprechpartnern von der Papierfabrik bis zur Nationalparkverwaltung.

„Ja, ich kenne da vielleicht jemanden …“ ist ein unglaublich wichtiger Satz im Leben, und dank der EU-Bildungsförderung kann er deutlich häufiger ausgesprochen werden. Jeder, der schon einmal ein Erasmus-Bildungsprojekt mitgemacht hat, weiß genau, was die EU für ihn tut.

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