StartNachrichtenMarkt30 Prozent ökologische Landwirtschaft: Vision versus Wirklichkeit

30 Prozent ökologische Landwirtschaft: Vision versus Wirklichkeit

Marktkommentar
Von Claus Hoeck, LK-Markt
Foto: Imago

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (B90/Die Grünen) hat das Ziel bekräftigt, den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen in Deutschland bis 2030 auf 30 % auszudehnen. „Mit unserer Biostrategie wollen wir dafür entlang der gesamten Wertschöpfungskette geeignete Rahmenbedingungen schaffen und Hürden beseitigen“, sagte Özdemir am 30. Mai auf dem Hof von BÖLW-Vorstand Hubert Heigl.

Gerade hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die aktuellen Zahlen zu Biofläche und Biobetrieben für das Jahr 2023 veröffentlicht. Die ökologische Fläche belief sich auf 1,9 Mio. ha oder 11,4 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. 14,4 % aller landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaften ökologisch. Der Trend sei zwar positiv, aber das Wachstum verlangsame sich von Jahr zu Jahr, so die BLE. Für das politische Ziel von 30 % Bio, das wären 5 Mio. ha im Jahr 2030, müssten in den kommenden Jahren mindestens zweistellige Wachstumsraten erreicht werden. In Schleswig-Holstein werden übrigens 77.000 ha ökologisch bewirtschaftet, das sind 7,9 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Geringer ist der Ökoanteil nur in Nordrhein-Westfalen mit 6,1 % und Niedersachsen mit 6,0 %.

Weniger Biobetriebe

Insgesamt schieden 2023 mehr Betriebe aus dem Ökolandbau aus als Höfe dazukamen, die auf Bio umgestellt haben: 2023 wirtschafteten 36.680 Höfe ökologisch, 182 weniger als im Jahr zuvor. Der BÖLW nennt mehrere Gründe für den Rückgang. Demnach gaben Betriebe auf, weil Hofnachfolger fehlten. Zudem stellten weniger Landwirte auf Bio um und einige Biobetriebe sind zur konventionellen Bewirtschaftung zurückgekehrt. „Die Rahmenbedingungen für die Umstellung auf Bio waren 2023 herausfordernd. Neue Regeln bei der Agrarförderung bürden den Biobetrieben zusätzliche Bürokratie auf“, so die BÖLW-Vorsitzende Tina Andres im „Spiegel“. Auch die starke Inflation und das dadurch veränderte Kaufverhalten der Kunden, hin zu günstigen Bioprodukten, verunsichere die Biolandwirte.

Biomarkt wächst wieder

Der wesentliche Einflussfaktor ist die Nachfrage nach Bioprodukten. Der Marktanteil von Biolebensmitteln ist in den vergangenen Jahren stetig auf rund 7,0 % im Jahr 2021 gestiegen, 2022 ging der Anteil erstmals wieder zurück, auf 6,3 %. In Deutschland werden über 181 € pro Kopf für Biolebensmittel ausgegeben. Nur in der Schweiz, Dänemark und Luxemburg wird im europaweiten Vergleich mehr für Öko gezahlt. Übrigens wird Bio vor allem von Besserverdienenden gekauft, das erklärt auch den Einbruch des Biomarktes nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Anfang 2022, der zu einer Explosion der Energie- und Lebensmittelpreise führte. 2023 verzeichnete die deutsche Biobranche ein Plus von 5 % gegenüber 2022 auf 16,08 Mrd. €, so der BÖLW. Allerdings beruhte das Wachstum auf höheren Preisen, nicht auf größeren Mengen. Insbesondere die Discounter und Drogeriemärkte verliehen dem Biomarkt Schwung, die Biohofläden mussten Umsatzverluste hinnehmen.

Signifikante Importe

Zusätzlich zu Biolebensmitteln aus deutscher Produktion wird auf Importe zurückgegriffen. Die Biogetreideimporte betrugen 2021/22 zirka 133.500 t oder 10 % des Bedarfs. Danach gingen sie zurück wegen der besseren inländischen Versorgung, auch waren die Logistikkosten so stark gestiegen, dass sich Transporte aus vielen Ländern kaum gelohnt haben. Zudem spielen deutsche Herkünfte für viele Verarbeiter eine größere Rolle. Schweine- (mehr als 30 % Importe) und Rindfleisch (zirka 15 % Importe) aus ökologischer Produktion wurden 2021/22 verstärkt importiert. Die größere inländische Biomilchproduktion hingegen führte bei schwächerer Nachfrage zu geringeren Importen (mehr als 20 % Importanteil). Die Frage bleibt, ob das gebetsmühlenartige Wiederholen von „30 % Öko bis 2030“ dem Anliegen weiterhilft oder ob es nicht eine realitätsfremde, ideologische Weltsicht vermittelt. Es bleibt dabei: Nachhaltigkeit und Umweltschutz müssen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Dann klappt es auch mit dem Ausbau der Ökolandwirtschaft.

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