Die rasante Entwicklung in der Tierzucht durch molekularbiologische Methoden beschrieb Prof. Claudia Klein vom Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) am Dienstag (18. Juni) beim Kreisbauerntag Segeberg. In der Reithalle von Familie Elwers in Negernbötel verdeutlichte die Wissenschaftlerin ebenfalls, wo die Grenzen der sogenannten Genschere CrispR/Cas liegen – technisch wie rechtlich.
Als „Revolution in der Tierzucht“ bezeichnete Klein die Entschlüsselung des Rinder-Genoms im Jahr 2004. Vorher sei nur sehr zeitintensive klassische Züchtung möglich gewesen. Dabei wurden Zuchtbullen nach den Merkmalen der erwachsenen Töchter bewertet, zum Beispiel im Parameter Milchleistung. Heute nutzten Züchter sogenannte SNP (Single Nucelotide Polymorphism), um Merkmale im Genom zu identifizieren. „Was früher sechs Jahre gedauert hat, dauert heute nur noch zwei Tage“, so Klein.
Unter modernen Züchtungstechniken verstehe man heute in erster Linie die Genschere CrispR/Cas, mit der das Genom gezielt verändert werden könne. „Stellen Sie sich vor, die DNA wäre ein Buch und Sie wollten ein Wort ändern. Heute können wir mit Tipp-Ex das Wort löschen und überschreiben.“ Ein theoretisches Anwendungsbeispiel sei die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Wenn es gelinge, das Gen für ASP-Empfänglichkeit zu identifizieren und auszuschneiden, würden Schweine resistent gegen die Seuche. „Das ist der Traum, den ich als Wissenschaftlerin träume“, schilderte Klein.
Ein anderes Anwendungbeispiel bei Schweinen sei, in der Eizelle direkt nach der Befruchtung das SRY-Gen auszuschalten, das zur Ausbildung von Ebern führt. Wenn es nur noch weibliche Tiere gäbe, könne auf sämtliche Formen von Kastration verzichtet werden. Vorstellbar sei auch, Zuchteber zu erzeugen, die nur noch weibliche Spermien ausbildeten. Neue Sequenzen in eine DNA „einzubasteln“, sei allerdings zum einen technisch sehr schwierig. Zum anderen ist der Einsatz von Genome-Editing in der EU prinzipiell nicht erlaubt. Problematisch sei, dass solche Methoden aber beispielsweise in Südamerika schon kommerziell angewendet würden und wir von dort Fleisch importierten. Ein Nachweis von Genome-Editing im Produkt sei aber so gut wie unmöglich. Laut Klein hat die Genschere ein „unendliches Potenzial“. Sie sieht aber für deren Anwendung in der Pflanzenzucht deutlich mehr Möglichkeiten als in der Tierzucht.
Thorge Rahlf, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Segeberg (KBV), betonte die Bedeutung der Tierhaltung im Kreis. Tierzucht ist für ihn ein wesentlicher Baustein, um die Tierhaltung zukunftsfähig zu halten. Politik und Gesellschaft forderten aktuell von den Bauern mehr Tierwohl und mehr Klimaschutz bei gleichbleibenden Preisen. „Das funktioniert nicht“, stellte Rahlf klar.
Ludwig Hirschberg, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, appellierte an die Anwesenden, selbst politisch aktiv zu werden, um die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten und mehr Vernunft in die Politik zu bringen.
Zitate
Cedric Rieken, ZukunftsBauer: Habt ein offenes Ohr für die Leute, die auf euch zukommen. Ich habe einfach mal die Hoftore aufgemacht und viele positive Erfahrungen gewonnen. Ein Großteil der Leute wird beeindruckt sein, wie es in der Landwirtschaft wirklich aussieht.
Kathrin Rehders, Sprecherin Unternehmerinnennetzwerk: Wir wollen im Verband jünger und weiblicher werden. Unser Netzwerk lebt vom gegenseitigen Austausch und fachlichen Fortbildungen. Wer Lust hat, sich dem Netzwerk anzuschließen, kann gern auf uns zukommen.
Thilo Pries, KBV-Vorstandsmitglied: Moderne Züchtungstechniken bieten viele Chancen, Arznei-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel einzusparen. Das sollte man in den Diskussionen berücksichtigen.
Petra Fahje, Vorsitzende KreisLandFrauenverband Segeberg: Durch nachhaltige Anbaumethoden und moderne Techno-logien schaffen Landwirte qualitativ hochwertige Lebensmittel. Der Kauf regionaler Produkte bietet viele Vorteile für die Umwelt, zum Beispiel durch kurze Transportwege, und stärkt die Landwirtschaft vor Ort.
Jan Peter Schröder, Landrat des Kreises Segeberg: Wir dürfen uns nicht zu Tode verwalten. Aber ein Stück weit Bürokratie ist notwendig. Ein Abbau funktioniert nur im Konkreten und wenn Vertrauen herrscht. Lassen Sie uns darüber reden, was geht.