Die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein sieht sich mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert – seien es der Klimawandel oder politische Richtlinien und Entscheidungen. Das Versuchswesen der Landwirtschaftskammer (LKSH) liefert an ihren sieben Standorten im Land unabhängige und neutrale Versuchsergebnisse, die die Landwirte bei der Entscheidungsfindung (Beispiel Sortenwahl) und die Beratung im Land (Beispiel Pflanzenschutz) unterstützen.
Am Standort der Kammer im Sönke-Nissen-Koog wurde erstmals zur Aussaat 2023 ein langjähriger Systemversuch angelegt. Über eine fünfgliedrige Fruchtfolge mit Zwischenfruchtanbau vor der Sommerung (Wintertriticale – Wintergerste – Winterraps – Winterweizen – Sommerhafer) werden hier zwei verschiedene Düngungsintensitäten (100 % nach Düngebedarfsermittlung (DBE), 80 % nach DBE) und drei verschiedene Pflanzenschutzstrategien (kein Pflanzenschutzmitteleinsatz, um 50 % reduzierter Pflanzenschutzmitteleinsatz, Pflanzenschutzmitteleinsatz nach LKSH-Empfehlung) in jeder Kultur geprüft. Ziel ist, über eine langjährige Fruchtfolge Kenntnisse über die optimale Düngungsmenge in Kombination mit einer entsprechend angepassten Pflanzenschutzstrategie zu generieren. Als Vergleich dient eine etablierte Referenzfruchtfolge am Versuchsstandort.
Vor dem Hintergrund stetiger Änderungen im Bereich des Pflanzenschutzes und des Ziels einer Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes erarbeitet das Feldversuchswesen dazu mögliche Lösungen. Im Bereich der Ungras- und Unkrautbekämpfung rückt die Hack- und Striegeltechnik in das Interesse des Bereiches Pflanzenschutz. In verschiedenen Kulturen (Beispiel Mais und Zuckerrübe) sind Versuche auf der südlichen Geest im Raum Krumstedt angelegt, in denen chemische Behandlungsstufen, chemisch-mechanisch kombinierte Behandlungsstufen und mechanische Behandlungsstufen miteinander verglichen werden.
Anbau der Zwischenfrüchte
Im Bereich des Zwischenfruchtanbaus wird zur Ernte ein dreijähriger Versuch an den Standorten Schuby und Futterkamp abgeschlossen. Zur Herbstaussaat werden zehn verschiedene Zwischenfruchtmischungen in einem Exaktversuch ausgesät. Im folgenden Frühjahr werden die Zwischenfrüchte mechanisch bearbeitet, sodass eine Aussaat von Sommergerste folgen kann. Es handelt sich um eine einheitliche Sommergerstensorte. Somit lässt sich ein Vorfruchtwert der einzelnen Zwischenfruchtmischungen prüfen. Ergebnisse zu dieser Fragestellung können nach der Ernte präsentiert werden.
Versuch zur Fruchtfolge
Am Standort Futterkamp wird bereits zur dritten Ernte ein Fruchtfolgeversuch in Kooperation mit der Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrar als langjähriges Projekt bearbeitet, der den Fokus auf die organische Düngung legt. Es werden verschiedene Güllen in unterschiedlichen Aufwandmengen über eine fünfgliedrige Fruchtfolge (Winterraps – Winterweizen – Silomais – Sommerhafer – Wintergerste) ausgebracht. Die organisch gedüngten Varianten werden dann mit rein mineralisch und nicht gedüngten Varianten verglichen. Ziel dieses Anbausystemversuchs ist es, am Ende der Versuchslaufzeit beurteilen zu können, ob durch regelmäßige Anwendung organischer Düngung zusätzliche Kohlenstoffmengen im Boden gespeichert werden und ob das Anbausystem vergleichsweise kompensationsfähiger beispielsweise gegenüber extremen Witterungseinflüssen ist. Ergebnisse zu diesem Versuch werden mit Ende der Projektlaufzeit veröffentlicht.
Versuchswesen im Grünland
Im Bereich des Versuchswesens im Grünland werden seit diesem Frühjahr zwei neue Versuche zum Tagesgeschäft der Sortenprüfung durchgeführt. Am Standort Schuby wird ein Nachsaatversuch mit verschiedenen Nutzungsintensitäten bearbeitet. Ein weiterer Versuchsfaktor neben der Nutzungsintensität sind die verschiedenen Nachsaatmischungen, die verwendet wurden. Unter genauer Beobachtung steht bei diesem Versuch eine mögliche Steigerung der Artenvielfalt im Grünland durch die Faktoren Nachsaatmischungen und Nutzungsintensität. Des Weiteren wurde ein Versuch zur organischen Düngung im Grünland angelegt. Zur Prüfung stehen hier unterschiedliche Güllezusatzstoffe, die zu einer besseren Ausnutzung der einzelnen Nährstoffe in der Gülle führen sollen. Die organische Düngung mit unterschiedlichen Kombinationen der Zusatzstoffe erfolgt zu Vegetationsbeginn und nach dem ersten und zweiten Hauptnutzungsschnitt.
Sortenprüfwesen in verschiedenen Bereichen
Ein wesentlicher Teil der Arbeit im eigenen Fachbereich Versuchswesen der Abteilung Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Umwelt der Kammer fällt auf das Sortenprüfwesen, zum Beispiel im Bereich Getreide und auch Ölsaaten, Körnerleguminosen und Mais. Als unabhängige und neutrale Prüfeinrichtung untersucht die Kammer in den Landessortenversuchen Sortimente der gängigen Kulturarten (zum Beispiel im Bereich Getreide und auch Ölsaaten und Körnerleguminosen inklusive Gräser) in Schleswig-Holstein, sowohl als Winterungen wie auch als Sommerungen und im konventionellen sowie ökologischen Bereich.
Der Züchtungsfortschritt und die Anpassung neuer Sorten an sich verändernde agronomische Rahmenbedingungen werden durch den Ergebnisvergleich neuer Sorten mit etablierten Sorten geprüft. Somit kann eine neutrale Sortenempfehlung den Landwirten zur Verfügung gestellt werden und für die Anbauentscheidung in der Praxis wichtige Erkenntnisse liefern. Neben den Landessortenversuchen werden auch Wertprüfungen, Bundessortenversuche und EU-Sortenversuche von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Versuchswesens bearbeitet. So steht neue Genetik bereits früh unter Beobachtung der Kulturreferenten. An den Standorten im Sönke-Nissen-Koog und in Loit wurde im vergangenen Herbst jeweils zusätzlich eine Sortenprüfung Winterhafer angelegt.
Versuche zu Produktionstechnik
Produktionstechnische Versuche werden an allen Versuchsstandorten durchgeführt. In der Produktionstechnik beschäftigt sich das Versuchswesen mit Fragen zu optimalen Saatzeitpunkten (Beispiel Saatzeitenversuche Winterweizen, Spätsaatversuch Winterraps in Tensbüttel und Loit), zur Düngung beispielsweise am Standort Kastorf (Beispiel Stickstoffeffizienz unterschiedlicher Weizensorten, Wirkung von Biostimulanzien auf N-Verfügbarkeit), aber auch Fragen zu Aussaatstärken (Beispiel Bestandesdichte Mais). Im Mais wird unter anderem versucht, auf die Fragestellung zu Gemengeanbau Antworten zu finden. Auf dem Versuchsfeld Schuby werden 15 verschiedene Gemengevarianten mit beispielsweise Sonnenblume, Stangenbohne, Ackerbohne und Sorghum in Kombination mit Mais geprüft.
Im Bereich Produktionstechnik wurde an beiden oben genannten Standorten Sönke-Nissen-Koog und Loit Versuche im Winterweizen ausgesät, in denen die Aussaat in weiter Reihe mit verschiedenen Aussaatstärken bearbeitet wird. Die Versuchsergebnisse sollen Rückschlüsse auf eine optimale Aussaatstärke beispielsweise anhand der Bestandesdichte unter den Wachstumsbedingungen in weiter Reihe ermöglichen. Zum Thema Düngung im Mais werden mittlerweile das vierte Jahr in Folge mit eigener Strip-Till-Technik Versuche zur organischen Unterfußdüngung an drei unabhängigen Standorten im Land angelegt. Zusätzlich zur Ermittlung der optimalen organischen Düngermenge werden auch Varianten etwa mit Piadin oder Kieserit fein angelegt, um eine möglicherweise bessere Nährstoffausnutzung bewerten zu können.
An allen Standorten werden unterschiedlichste Versuche im Pflanzenschutz durchgeführt. Strategieversuche im Bereich der Fungizide, Wirksamkeitsprüfungen im Bereich der Herbizide und Insektizide sind nur eine kleine Auswahl dieser vielschichtigen Versuchstätigkeiten.
Um möglichst für alle Naturräume in Schleswig-Holstein repräsentative Versuchsergebnisse bereitzustellen, erstrecken sich die Versuchsstandorte über Geest, Marsch und Östliches Hügelland.
Analyse und Versuchsauswertung
Sämtliche Ernteproben werden in der zentralen Probenaufbereitung (ZPA) auf dem Messegelände während der Ernte zusammengetragen und vollumfänglich auf die wichtigsten Qualitätsparameter mit moderner NIRS-Technik analysiert. Die Analyse wird direkt nach der Ernte durchgeführt, um schnelle Ergebnisse für beispielsweise die Sortenempfehlung zum Winterraps liefern zu können.
Die allgemeine Versuchsauswertung und Versuchsplanung werden zentral durch das PIAF-Team am Standort Rendsburg durchgeführt. In dem bundesländerübergreifenden Datenbanksystem PIAF werden sämtliche Versuchsdaten (Boniturdaten, Erntedaten, Standortdaten et cetera) gespeichert. Dank eines leistungsfähigen Serversystems ist es möglich, Versuchsdaten an allen Versuchsstandorten dezentral zu erfassen und auf weitere Daten zuzugreifen. Durch die Zentralisierung der Probenaufbereitung und des Datenmanagements mit PIAF stehen Versuchsergebnisse zeitnah nach der Ernte zur Verfügung.
Fazit
Die Versuchsfragen und somit die Versuchsdurchführung sind über die vergangenen Jahre komplexer und umfangreicher geworden. Besonders Fragestellungen zur Produktionstechnik (Beispiel Düngung, Saatzeit et cetera), Fruchtfolgegestaltung, Bearbeitung von Flächen mit Zwischenfruchtanbau und im Pflanzenschutz (Beispiel Hack- und Striegeltechnik, allgemeine Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz) setzen viel Engagement und Know-how voraus.