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Rindfleischmarkt im Umbruch

Haltungsstufe 3 auf dem Vormarsch
Von Dr. Frank Greshake , Dr. Albert Hortmann-Scholten , VEZG
In der Färsenmast ist die Haltungsstufe 3 meist einfacher zu realisieren als bei den Jungbullen. Foto: Dr. Frank Greshake

Unter den Rinderhaltern herrscht erhebliche Verunsicherung. Nach deutlichen Ansagen der Schlachtunternehmen befürchten so manches Vermarktungsunternehmen wie auch viele Bullenmäster, dass ihnen zukünftig der normale QS-Bulle nicht mehr oder mit Preisabschlägen abgenommen wird.

Der Druck des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) auf die Rinderschlachtunternehmen zur Lieferung von Rindfleisch aus der Haltungsstufe 3 (HF 3) nimmt deutlich zu. Bei den Schlachtkühen ist dies noch nicht ganz so deutlich zu spüren, weil die Anerkennung vieler Milchviehbetriebe durch die Meiereien hin zu QM++, zumindest in verschiedenen Regionen Deutschlands, zu einem deutlichen Anstieg der Lieferung von Schlachtkühen der Haltungsform 3 geführt hat.

Der Markt ist mit Verarbeitungsware aus der HF 3 offenbar besser versorgt. Da wird zwar weiterhin gesucht, aber nicht mit der Vehemenz wie nach Jungbullen. Beim Rindfleisch in der Frischvermarktung an der Theke macht der LEH jetzt richtig Druck. Aldi will schon nach Ostern bei den Eigenmarken hier nur noch Rindfleisch der Haltungsstufe 3 anbieten, Lidl will in Kürze folgen. Auch Edeka erweitert das Programm mit Rasting.

Wenn die Marktführer den Taktstock schwingen

Es ließen sich weitere nennen, es reicht aber schon: Wenn die Marktführer den Taktstock schwingen, müssen oder werden die anderen folgen. In Sachen Qualitätsfleischprogramme für Jungbullen ist im Nordwesten die Westfleisch SCE vorgeprescht. Sie hat verschiedene Programme initiiert. Am schnellsten ging dies noch mit den Strohbetrieben, die im Hinblick auf die gewährte öffentliche Förderung ohnehin die Besatzdichte abstocken mussten, um die Förderung zu erhalten. Entsprechend mussten hier auch keine hohen Preisaufschläge bezahlt werden, um solche Bullen in die Programme zu bringen.

Dieser erste, relativ geräuschlose Angang hat vielleicht sowohl Schlachtunternehmen als auch den LEH zu der Annahme veranlasst, dass der Rest der Bullenmäster schon noch folgen werde. Betriebe, die Anforderung der Haltungsform 3 ohnehin erfüllen, gibt es aber im Nordwesten sowie in Bayern regional nur zwischen 10 und 20 %. Der Anteil wächst zwar stetig, aber für die meisten konventionellen Bullenmastbetriebe bedeutet die Umstellung, dass ein bis zwei Jungbullen weniger in der Bucht gehalten werden können, was bekanntlich erst nach Neuein­stallung in die Bucht am besten passt. Und dann kommen die Umbauten – mit je nach Betrieb sehr unterschiedlichen Kosten.

Wenn aber allein zwei Jungbullen aus der Bucht genommen werden müssen, wäre im Grunde ein finanzieller Zuschlag von zirka 40 ct/ kg Schlachtgewicht zum Ausgleich der Kosten erforderlich. Zurzeit liegen die Zuschläge aber nur bei 20 bis 25 ct/kg.

Auditierung ohne Vertrag möglich

Was vielen Jungbullenmästern missfällt, ist der Umstand, dass die bisherigen Auditierungen für Haltungsform 3 automatisch zu einem Liefervertrag führen. Schlachtbetriebe signalisieren jetzt, dass sie auch Haltungsform-3-Bullen aus Betrieben ohne Vermarktungsvertrag übernehmen. Der Jungbullenmäster muss dann aber sein Audit selbst bezahlen. Das sollte jedoch kein Hemmnis sein.

Haltungsform 3 auch bei Färsen

Färsen der Handelsklasse R3 werden häufig wie Jungbullen bezahlt. Kurzbratstücke sind unter Kennern sehr begehrt. Aktuell zeichnet sich ab, dass auch im Sektor Färsenmast zunehmend die Haltungsform 3 gefragt wird. Bei den oft extensiveren Haltungsformen in der Färsenaufzucht dürfte eine HF-3-Auditierung oftmals leichter sein. Dies spricht dafür, die Prämien ohne großen Aufwand mitzunehmen, zumal der Preisaufschlag ähnlich hoch ist wie in der Jungbullenmast.

Lohnt die Umstellung?

Neben hoch spezialisierten, großen Bullenmastbetrieben, vor allen Dingen im Westmünsterland und im Emsland, findet Bullenmast oft in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben in älteren Ställen im Nebenerwerb statt. Ökonomisch macht es wenig Sinn, die Bestandsdichte herunterzufahren und bei hohen Baukosten noch zu investieren. In diesen Betrieben wird sich die Umstellung auf Haltungsform 3 nicht mehr rechnen.

Nicht unerheblich ist die Anzahl von Betrieben, in denen die Bullenmast aktuell in durchaus unterschiedlichen Haltungsformen stattfindet. Da finden sich konventionelle Bullenmastställe, oft noch aus den 1980er und -90er Jahren, neben umgebauten Tieflaufställen und ehemaligen Milchviehställen. Da muss man seriös durchkalkulieren, ob bei gewünschter Fortsetzung dieses Betriebszweiges die relativ geringen Umstellungskosten in einigen Teilbereichen größere Investitionen im letzten Stallbereich nicht doch zum guten Teil mitfinanzieren. Hier ist eine betriebsindividuelle gute Beratung erforderlich.

Haltungsform 3 beim Neubau unabdingbar

In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind vielfach neue Bullenmastställe in der Planung. Hier sollen Treibmistställe auf Stroh mit einer Biogasanlage kombiniert werden. Angeblich liegen allein für das Westmünsterland über 40 Bauanträge zur Genehmigung vor. Ob die im Hinblick auf die rasant steigenden Baukosten noch alle realisiert werden, sei einmal dahingestellt. Sicher ist aber: Wer für die Zukunft baut, kommt an der Haltungsform 3 nicht vorbei.

Der Standard-QS-Jungbulle

Auch in Zukunft wird der normale QS-Bulle der Haltungsform 1 weiter zu vermarkten sein. Aber es könnte schwieriger werden, denn seine edlen Teilstücke werden nicht mehr vollständig über die großen Konzerne des LEH abfließen. Das Verarbeitungsfleisch wie die Vorderviertel werden wohl auf längere Zeit nicht in Vermarktungswege mit Haltungsform 3 abfließen. Auch der Lebendexport von Rindern mit guten Schlachtkörpereigenschaften in Nachbarländer wie die Niederlande könnte eine größere Bedeutung bei der Vermarktung von QS-Standardtieren haben.

Fazit

Der LEH drängt für Rinder massiv auf die Umstellung auf Haltungsform 3 beim Frischfleisch für die Theke. Wenn er das Standard-QS-Fleisch gar nicht mehr anbietet, erübrigt sich auch die Frage, ob der Kunde nicht doch lieber das preiswerte kauft. Bei der Initiative Tierwohl – Schwein erlebt man ja bereits die Umstellung. Zuweilen ist normales QS-Fleisch auch nicht mehr zu bekommen. Ob der Konsument doch mit etwas größerer Kaufzurückhaltung reagiert, wird man dann sehen. Aber nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Tierschutzorganisationen auf den LEH, in Sachen Tierwohl voranzukommen. Dann werden, zum Teil auch bewusst, niedrigere Umsatzzahlen in gewissen Produktbereichen in Kauf genommen.


Kommentar: Werden Haltungsform 1 + 2 ausgelistet?

Vor drei Jahren kündigten LEH-Größen an, in Zukunft nur noch Fleisch aus den Haltungsformen (HF) 3 und höher anzubieten. In breit angelegten Marketingkampagnen zeigte man sich entschlossen, ab dem Jahr 2030 bei allen Fleischarten (Rind, Schwein und Geflügel) die HF 1 + 2 (Initiative Tierwohl) nicht mehr im Sortiment führen zu wollen. Ob die deutschen Erzeuger diese hochgesteckten Ziele in einem so kurzen Zeitraum erreichen würden, wurde nicht geprüft. Nun ist jedem klar, dass man bezüglich der Änderung der Haltungsverfahren nicht alle Nutztierarten über einen Kamm scheren kann.

Man muss genauer hinsehen: In der Milchviehhaltung ist in den Grünlandregionen die Weidehaltung bei einem vergleichsweise geringen Mehraufwand durchaus möglich. Meiereien honorieren dies häufig mit einem Weidemilchpreisaufschlag. Die Altkühe von der Weide entsprechen dann der Haltungsform 3 und werden in der Regel mit einem Preisaufschlag von 15 ct/kg Schlachtgewicht (SG) vergütet.

Bei den Jungbullen ist das schon komplizierter und kostenaufwendiger. Die Umstellung auf HF 3 können längst nicht alle Betriebe umsetzen. Nimmt man die Strohbetriebe heraus, liegt das Potenzial schnell umzustellender konventioneller Betriebe bei 10 bis 20 %. Und wenn es nicht flott genug geht – das Beispiel Rewe Nord zeigt es –, wird französische Ware gekauft und intensiv beworben.

In der ­Geflügelfleischerzeugung kann man die Luisianaställe – zum Beispiel bei der Pute – in HF 3 als eine Haltung mit Außenklimareizen definieren, wenngleich die seuchenhygienischen Risiken für die Tiere zunehmen. In jedem Fall steigen die Produktionskosten in einer auf Kostenminimierung ausgelegten EU-Fleischwirtschaft deutlich an. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Weißfleischerzeugung würde in der EU-27 stark abnehmen. Marktanteile werden verloren gehen.

Im Schweinefleischsektor sprechen gleich mehrere Fakten dafür, dass die vom LEH gesteckten Ziele völlig unrealistisch sind. Der Marktanteil der HF 3 + 4 liegt augenblicklich bei maximal 3 %. Selbst wenn die Schweinehalter haltungskonform auf HF 3 + 4 umbauen wollen, scheitern sie aufgrund der Genehmigungspraxis und finanzieller Gründe. Ob und wie viel der Verbraucher am Ende von dem deutlich höherpreisigen Fleisch kaufen wird, ist fraglich.

Der LEH muss erkennen, dass man die Nutztierhaltung nicht mit der Brechstange auf alternative Haltungssystem umstellen kann. Es gibt gute Gründe, warum Generationen von Landwirten landwirtschaftlichen Nutztiere in Ställen untergebracht haben, die im Hinblick auf Tierkomfort und Tiergesundheit immer besser geworden sind. Schließlich darf der gesundheitliche Verbraucherschutz bei der Lebensmittelerzeugung nicht aus dem Auge verloren werden. Dort bestehen Zielkonflikte, die der LEH offensichtlich nicht hinreichend durchdacht hat.

Dr. Frank Greshake, Dr. Albert Hortmann-Scholten
, VEZG


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