Während Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne) das europaweit erste Gebotsverfahren für Klimaschutzverträge mit energieintensiven Großunternehmen eröffnet hat, arbeitet auch Schleswig-Holstein weiter an einer grünen Industriewende: Bei einem Gipfeltreffen von Landesregierung, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften – dem sogenannten Industrie-Trilog – verständigten sich die Teilnehmer vorigen Donnerstag in Kiel auf ein 14-Punkte-Papier. Darin formulieren die Experten Bedingungen für eine verlässliche, klimaneutrale und bezahlbare Energieversorgung.
Massive Kritik übt das Gremium insbesondere an den regionalen Unterschieden im Ausbau Erneuerbarer Energien und dem unzureichenden Ausbau der Netze. „Das führt zu problematischen Marktergebnissen, weil die Regionen mit einem starken Ausbau von Erneuerbaren Energien die höchsten Lasten tragen statt entlastet zu werden“, hieß es.
Investitionen notwendig
Trilog-Gastgeber Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) appellierte an die Spitzen der energieintensiven Unternehmen im Land, sich an der Klimaschutz-Auktion des Bundeswirtschaftsministeriums zu beteiligen. Das Prinzip des Vier-Milliarden-Förderprogramms: Wenn Betriebe ihre Produktion umstellen, etwa von Öl auf Wasserstoff, müssen sie investieren. Da die klimafreundlichere Produktion häufig aber erst einmal teurer ist, gleicht der Staat die Kostendifferenz zur Produktion mit fossilen Energieträgern aus. Wird die klimafreundlichere Produktion mit der Zeit günstiger, zahlen die Unternehmen die Differenz an den Staat zurück. Die Klimaschutzsubventionen sollen an Firmen aus energieintensiven Branchen wie Chemie, Zement, Papier oder Gips fließen.
Mit Blick auf Schleswig-Holstein erinnerte Madsen an das Klimaschutzprogramm der Landesregierung: Hierin sei vorgesehen, dass die großen Verursacher von Treibhausgasen Maßnahmen zur Dekarbonisierung ergreifen. Im Vergleich zum Bund seien die Umweltbelastungen durch Betriebe im Norden allerdings ohnehin deutlich geringer. Während der Industriesektor bundesweit 20,4 % zum Bruttoinlandsprodukt beitrage, liege die Quote in Schleswig-Holstein lediglich bei 14,3 %. „Das dürfte in etwa auch dem Verhältnis der Industrieemissionen entsprechen“, so Madsen.
Nach den Worten von Dr. Julia Körner von der IHK Schleswig-Holstein ist eine Benachteiligung von Regionen mit einem hohen Anteil an Erneuerbaren Energien unbedingt zu verhindern. „Ziel muss es sein, für alle Energieträger und Sektoren gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, damit alle Unternehmen in Schleswig-Holstein gleichermaßen von der Energiewende profitieren können. Essenziell ist, den Beschleunigungspakt von Bund und Ländern schnell umzusetzen, um die Ansiedlung neuer und die Erweiterung bestehender Industrieunternehmen zu erleichtern”, so Körner weiter.
Jahrzehnt der Chancen
Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und SH (UVNord), Michael Thomas Fröhlich, machte deutlich, „dass wir kein Erkenntnis-, sondern bislang ein Umsetzungsproblem haben“. Es brauche Dampf im Kessel, damit die Genehmigungsverfahren endlich messbar beschleunigt würden. „Der Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern ist ein gutes Signal, er muss aber auch mit Leben gefüllt werden. Die Musik der Energiewende spielt im Norden, es kann unser Jahrzehnt der Chancen werden. Dafür müssen wir auch den Überschussstrom intelligenter nutzen, etwa für die Produktion von Grünem Wasserstoff oder zur Wärmeerzeugung. Nur mit guten und wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen kann die Transformation der Industrie gelingen. Dann wird die Northvolt-Ansiedlung den Anfang und nicht das Ende des Weges zum klimaneutralen Industrieland markieren.“
„Schleswig-Holstein hat im Verbund der norddeutschen Länder die einmalige Chance, zu einer weltweit sichtbaren Modellregion für klimaneutrale Produktion zu werden“, so Laura Pooth, Vorsitzende des DGB Nord. Dazu brauche es Investitionen in die Energieinfrastruktur, nachhaltige und sozial ausgewogene Finanzierungsinstrumente sowie eine systematische Stärkung der Planungs- und Genehmigungsbehörden auf allen Ebenen für zügige Entscheidungen.