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Mit Warnleuchte ins neue Jahr

Editorial
Von Mechthilde Becker-Weigel
Ein Ziel und eine Richtung steuern die Landwirte seit Dezember an. Foto: Imago

2023 war ein herausforderndes Jahr, vielleicht mehr denn je. Die Welt ist wieder gefährlicher und unberechenbarer geworden in den vergangenen zwölf Monaten. Ein Krieg, der nicht endet, und ein neuer, der begonnen hat, haben uns gelehrt, ganz neu über Frieden und Sicherheit nachzudenken. Die Agrarwirtschaft hierzulande war neben Wetterextremen, Lieferkettenproblemen und Arbeitskräftemangel vor allem politischem Überehrgeiz ausgesetzt.

Auf EU-Ebene konnte die geplante neue Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation, SUR), die massive Einschränkungen bedeutet hätte, vorerst gestoppt werden. Beim Naturwiederherstellungsgesetzt (Nature Restoration Law, NRL) zielen die Grundforderungen darauf ab, dass die EU-Staaten bis 2040 40 % der landwirtschaftlich genutzten Moorflächen wiederherstellen und 30 % davon wiedervernässen müssen. Der Rückgang der Bestäuberpopulationen muss bis 2030 nicht nur gestoppt, sondern umkehrt werden.

Bei der Industrieemissionsrichtlinie konnten völlig überzogene Vorstellungen der EU-Kommission zur Rinderhaltung abmoderiert werden, dennoch werden Schweine- und Geflügelhaltung in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren einbezogen. Die EU-Kommission plant, das EU-Gentechnikrecht zu liberalisieren. Dafür definiert die Brüsseler Behörde zwei Kategorien von Nutzpflanzen, die mittels biotechnologischer Verfahren wie der Genschere CrispR/Cas entstehen können.

Im Dezember 2023 hat die EU-Kommission die Genehmigung für Glyphosat um zehn Jahre verlängert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat das geltende nationale Anwendungsverbot für Glyphosat per Eilverordnung ausgesetzt. Die für sechs Monate geltenden Verordnung des BMEL soll übergangsweise Rechtssicherheit geschaffen, während nach neuen Spielräumen für weitere Einschränkungen gesucht wird. Die Haltungskennzeichnung hat Bundestag und Bundesrat passiert. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ist zunächst für die Schweinemast gestartet. Innerhalb eines Jahres müssen alle deutschen Betriebe mit Mastschweinehaltung ihre Haltungsform(en) der zuständigen Behörde melden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat seine Auflösung beschlossen. Nach langem Warten auf eine Einigung der Bundesregierung zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung war die Geduld erschöpft.

Der Agrarbericht für 2023 zeigte neben einer dringend notwendigen positiven Einkommensentwicklung für 2022 die erschütternde Bilanz des Strukturwandels der vergangenen zehn Jahre. Zwischen 2010 und 2020 haben 36.100 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben, das sind etwa zehn Betriebe pro Tag. Die Zahl der Schweine haltenden Betriebe hat sich in diesem Zeitraum von 60.000 auf 32.000 fast halbiert.
Die Krone hat dem Ganzen im Dezember die von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung der Agrardiesel- und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge aufgesetzt. Die Landwirtschaft derart überproportional für die Deckung der Schäden durch den rechtswidrigen Schattenhaushalt heranzuziehen, beantwortet die Branche gerade mit sichtbarem Protest auf den Straßen.

Die große Teilnahme an den Demonstrationen zeigt, wie dicht die Branche zusammensteht, wenn es darauf ankommt. Bislang deutet nicht viel darauf hin, dass 2024 unter diesen Rahmenbedingungen ein einfaches Jahr wird. Aber es kann ein guter Anfang werden, wenn die Warnleuchten gemeinsam angehen, wenn Respekt und Zusammenhalt walten und die Botschaften gemeinsam und mit einer Stimme vorgetragen werden.

Einen glückenden Start in ein friedvolleres und für die Landwirtschaft gerechteres Jahr!

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