Frauen sind anders krank als Männer: Sie empfinden anders, sie reden anders über ihre Beschwerden und die von Frauen beschriebenen Symptome werden oft als untypisch wahrgenommen. Das soll sich ändern. Die neue Gesundheitsaktion, die LandFrauenverband und Ärztekammer Schleswig-Holstein in diesem Herbst gemeinsam gestartet haben, soll vor allem die Gesundheitskompetenz der Frauen stärken. Mehr Selbstfürsorge und Beharrlichkeit, wenn es darum geht, Beschwerden auf den Grund zu gehen, und gesunder Abstand zum typischen „Frauenjob“, sich immer erst einmal um die anderen zu kümmern, forderte Dr. Gisa Andresen. Ihren Auftaktvortrag hielt die Medizinerin und LandFrau vor LandFrauen aus dem Kreisverband Rendsburg-Eckernförde.
Zunächst befasste sich Andresen mit der Gendermedizin und stellte folgende Fragen in den Raum: Warum landen Frauen oft verspätet in der Notaufnahme oder auf dem OP-Tisch? Warum spenden sie häufiger ein Herz, empfangen aber seltener als Männer eines? Und warum bekommen sie Medikamente in zu hoher Dosis und auch eher Psychopharmaka als Männer? Das alles sei vor allem in der Studiengeschichte begründet, erläuterte die Ärztin. So sei der Prototyp der Probanden ein Mann, maximal 35 Jahre alt, 1,75 m groß und 75 kg schwer. Das müsse sich ändern, denn das führe zu Fehldiagnosen und damit zu Therapieverzögerungen, die Leben kosten könnten, so die Anästhesiologin. Zwar sei seit etwa zwei Jahren vorgeschrieben, dass auch entsprechend viele Frauen in den Studien mituntersucht würden, aber es werde dauern, bevor diese Ergebnisse in der Praxis ankämen. Deshalb sei es wichtig, zumindest selbst deuten zu können, wann es angezeigt sei, Hilfe zu holen und eine Behandlung einzufordern.
Dafür beschrieb die Medizinerin einige konkrete Anzeichen für einen Notfall, die sich bei Frauen und Männern aber oft ganz unterschiedlich äußerten. Bei Männern verursache ein Herzinfarkt ganz klassisch heftige Schmerzen in der Brust und im linken Arm, Engegefühl in der Brust und Herzrasen. Frauen hätten das Gefühl, nicht richtig zu funktionieren, seien müde und schlapp, mitunter sei ihnen übel, es träten Schmerzen zwischen den Schulterblättern oder im Unterkiefer auf. „Dann nicht die Fenster zu Ende putzen, sondern zügig auf den Weg machen!“, mahnte Andresen. „Wenn Gefahr im Verzug ist, sollten Sie die 112 wählen und im Notfall nie tiefstapeln nach dem Motto ,Das wird schon wieder‘.“
Für den Arztbesuch im Allgemeinen empfahl die promovierte Ärztin einen „Beipackzettel“. Seien Sie gut vorbereitet, schreiben Sie sich auf, welche Medikamente Sie nehmen, wann und wo die Beschwerden auftreten. „Das ist sehr hilfreich für den Arzt.“
Die Referentin betonte aber auch, dass die Risikofaktoren für die meisten Erkrankungen durch den Lebensstil bedingt seien. Sie nannte Alkoholkonsum („Frauen können übermäßigen Konsum besser verstecken.“), das Rauchen („Da holen die Frauen leider ganz schön auf.“) und Übergewicht („Frauen haben harmlose Energiespeicher an Oberschenkel, Hüfte und Gesäß und können da wohlwollender mit sich umgehen. Allerdings fördern zu viel Zucker und Fett Diabetes, Bluthochdruck und Krebs.“)
Und damit war die Ärztin bei einem wichtigen Anliegen: Vorbeugung und Selbstfürsorge. Dazu empfahl sie norddeutsche Ernährung mit pflanzlichen Ballaststoffen, Nüssen, Kohl, Fisch und wenig Fleisch. Industrielles „Fertigfutter“ sollte jeder meiden. Neben der Ernährung sei Bewegung das Wichtigste und Allerbeste. „Alle zehn Jahre verlieren wir fünf Prozent unserer Muskulatur. Mit 70 geht es dann richtig abwärts.“ 150 min moderates oder 75 min ambitioniertes Training, am besten eine Mischung aus Krafttraining und Ausdauer, so lautete die Empfehlung von Andresen. Die Schlüsselfunktion von Ernährung und Bewegung habe vor 1.500 Jahren auch schon Hippokrates erkannt: „Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, dann hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.“ Den ersten Schritt für ihre Gesundheit und Gesundheitskompetenz hätten die LandFrauen schon einmal getan, indem sie zum Vortrag gekommen seien, so die Medizinerin.