Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor immer größere Herausforderungen. Das Projekt Rinderforschungsnetzwerk Schleswig-Holstein (RindforNet_SH), in dem alle Forschungsstationen mit Milchviehhaltung in Schleswig-Holstein kooperieren, hat sich zum Ziel gesetzt, eine digitale und möglichst standardisierte Bereitstellung der betriebsspezifischen Daten von Milchvieh haltenden Betrieben für die Klimabilanzierung zu ermöglichen.
Um die langfristige Stabilität der Agrarproduktion zu gewährleisten, müssen Landwirte sich mit Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen auseinandersetzen.
Klimaveränderung und Anpassungsstrategien
Temperaturen steigen an, Niederschlagsmuster verändern sich und extreme Wetterereignisse nehmen zu. Es kommt zu Ernteausfällen und veränderten Umgebungsbedingungen für Nutztiere. Das Umweltministerium Schleswig-Holstein hat im Juli dieses Jahres das Klimaschutzprogramm 2030 veröffentlicht mit dem Ziel, dass Schleswig-Holstein bis 2040 klimaneutral werden soll (Ausgabe 30 vom 29. Juli 2023). Durch optimierte technologische Anpassungen im Wirtschaftsdüngermanagement sollen bis zum Jahr 2030 596.000 t CO2-Äquivalente an Emissionen in der Landwirtschaft eingespart werden. In diesem Zuge tauchen Fragen auf: Wo kann ich ansetzen, um aktiv etwas für den Klimaschutz zu leisten? Wo stehe ich mit meinem Betrieb? Wie hoch ist der eigene CO2-Fußabdruck?
Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft
Etwa 8 % der Gesamtemissionen Deutschlands werden dem Landwirtschaftssektor und der Landnutzung zugeschrieben. Der Einsatz fossiler Brennstoffe zum Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen und stationärer Einrichtungen verursacht Emissionen von Kohlendioxid (CO2), ebenso wie Humusabbau infolge von Landnutzungsänderungen. Methan (CH4) entsteht während der Verdauung von Wiederkäuern und wird beim Ruktus und auch aus den Wirtschaftsdüngern freigesetzt. Beim Umsatz von Stickstoff aus Wirtschafts- und Mineraldüngern entstehen Lachgasemissionen (N2O).
Klimabilanzierungsmodelle zur Berechnung
Heute werden verschiedene Modelle zur Berechnung der Treibhausgasemissionen auf landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Jedoch gibt es derzeit dafür keine bindenden gesetzlichen Vorgaben. Klimarechner zeigen auf, wie viele Treibhausgasemissionen in der Landbewirtschaftung oder der Milchproduktion entstehen und auch bei welchen Produktionsabschnitten. Das Zusammentragen der Daten für eine Klimabilanzierung stellt Betriebe vor Herausforderungen. Auch müssen die Eingangsdaten standardisiert werden, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Im Projekt RindforNet_SH sollen der Aufwand für die Klimabilanzierung durch digitale Datenflüsse verringert und Know-how in der einzelbetrieblichen Beratung aufgebaut werden. Methodische Weiterentwicklungen, zum Beispiel für die weidebasierte Fütterung und die Mitarbeit bei der Harmonisierung der Bilanzierungsmethoden, werden angestrebt.
Wofür eine Klimabilanz?
Durch die einzelbetriebliche Klimabilanzierung erhalten Landwirtinnen und Landwirte eine Übersicht der betriebseigenen Treibhausgasquellen und -emissionen. Einzelbetriebliche Beratung kann im weiteren Verlauf dabei unterstützen, die Betriebsprozesse effizienter und klimafreundlicher zu gestalten. Die enge Verzahnung unterschiedlicher Produktionsbereiche stellt für die Klimabilanzierung eine große Herausforderung dar, zum Beispiel die korrekte Erfassung der Stoffflüsse in der Milchproduktion.
TEKLa: Beratungstool für die Klimabilanzierung
Um die Klimabilanzierung für die Landwirtschaft voranzubringen und Lösungen für die Digitalisierung zu finden, wird im Projekt RindforNet_SH zunächst auf den Treibhausgas-Emissions-Kalkulator-Landwirtschaft (TEKLa) der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zurückgegriffen. Dieses Instrument ermöglicht eine Bilanzierung der Treibhausgasemissionen für verschiedene Betriebszweige und wird seit 2017 in der Beratung angewendet. Das Tool basiert auf dem Berechnungsstandard für einzelbetriebliche Klimabilanzen (BEK), herausgebracht vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL). Dieser wurde 2016 veröffentlicht und bietet neben einem Handbuch auch eine Datenbank mit zahlreichen Emissions- und Umrechnungsfaktoren, die regelmäßig aktualisiert werden.
Als Ergebnis zeigt TEKLa einen produktbezogenen CO2-Fußabdruck, zum Beispiel je Kilogramm Milch oder Weizen. Werden mehrere Produktionsjahre bilanziert, können zudem die Entwicklung des Betriebes betrachtet und so auch die Wirksamkeit von Managementveränderungen oder auch die Wirkungen unterschiedlicher Ernteerträge in Zahlen aufgezeigt werden. Auf der Hand liegen Minderungspotenziale zum Beispiel in der Reduzierung des Stromverbrauchs, einem geringeren Mineraldüngereinsatz oder dem Bezug von Sojaschrot aus zertifiziertem, entwaldungsfreiem Anbau. Komplexer ist es, wenn zukünftig Futterqualitäten und detaillierte Massenflüsse der Futterkette mit in die Bilanz einbezogen werden und zur Kontrolle mit Messwerten von Methan-Sensoren abgeglichen werden. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.
Was macht RindforNet_SH sonst noch?
Neben der Klimabilanzierung in Milchvieh haltenden Betrieben behandeln weitere Arbeitspakete des Projektkonsortiums von RindforNet_SH Themen der Eutergesundheit und des Weidemanagements. Auch hier sollen Lösungen zur Digitalisierung entwickelt werden. Mittels Beratungsangeboten, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sollen die gewonnenen Erkenntnisse und Technologien in die Praxis getragen werden. Digitale Lösungen im Datenmanagement, bei Arbeitsprozessen und neue Datenerfassungssysteme sollen das Betriebsmanagement im Hinblick auf Ressourceneffizienz, Arbeitssicherheit und das Tierwohl verbessern.
Das Projekt wird im Rahmen der Einrichtung von Experimentierfeldern als Zukunftsbetrieben und Zukunftsregionen der Digitalisierung in der Landwirtschaft sowie in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.
Fazit
Die Klimabilanzierung in landwirtschaftlichen Betrieben soll vorhandene Treibhausgasemissionen quantifizieren und Minderungspotenziale aufzeigen. Angesichts der zunehmenden Herausforderungen im Klimawandel und um die national und international vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen, sind Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion notwendig. Klimaberatungstools bieten eine wertvolle Unterstützung bei der Entwicklung standort- und betriebsangepasster Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Digitale und transparente Datenflüsse werden angestrebt. So können Landwirte nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern gegebenenfalls auch die eigene Produktion ökonomisch effizienter und nachhaltiger gestalten.
Dr. Hans Marten Paulsen, Maret Ellinghausen, Thünen-Institut für Ökologischen Landbau Trenthorst
Dr. Laura Maxi Stange, Landwirtschaftskammer SH