Für die Routineuntersuchung von Milchproben hat sich seit vielen Jahren die Nutzung der Infrarotspektroskopie durchgesetzt. Diese Technik generiert Spektraldaten, mit denen die Inhaltsstoffe von vielen Milchproben in kurzer Zeit bestimmt werden können. Damit ist das Potenzial dieser Daten jedoch noch nicht ausgeschöpft.
Eine Vielzahl von Forschungsprojekten hat sich damit beschäftigt, weitere Informationen aus der Milchuntersuchung zu gewinnen. Erste Parameter sind bereits Bestandteil der Milchleistungsprüfung geworden. Der folgende Artikel erklärt, wie aus Spektraldaten Informationen werden, stellt die KetoMIR-Formel zur Abschätzung des Ketose-Risikos vor und präsentiert dazu Daten aus Schleswig-Holstein.
Bei der Milchuntersuchung mittels Infrarotspektroskopie werden Infrarotstrahlen des mittleren Infrarotwellenbereichs durch eine dünne Schicht Milch gesendet. Beim Durchdringen der Milch wird ein Teil dieser Infrarotstrahlen absorbiert, das heißt einige Wellenlängen werden aufgenommen. Ein Detektor misst die Intensität der Wellenlängen, die die Milch durchdringen konnten. Aus diesen Messwerten wird ein Absorptionsspektrum erzeugt und als sogenannte Spektraldaten vom Gerät zur Verfügung gestellt.
Spektraldaten sind von der Art und der Konzentration der in der Milch enthaltenen Stoffe abhängig. Daher können sie in Kombination mit einer Kalibrationsgleichung zur Bestimmung eines Milchinhaltsstoffs genutzt werden. Um eine Kalibrationsgleichung aufzustellen, werden von sehr vielen Milchproben sowohl die Spektraldaten als auch Referenzwerte benötigt. Letztere sind Werte, die mittels Standardmethode für den jeweiligen Parameter bestimmt werden (zum Beispiel im Labor chemisch bestimmte Fettgehalte) und den gesamt möglichen Messbereich abdecken. Neben der Bestimmung der Standardmilchinhaltsstoffe ist es mittlerweile möglich, auf Grundlage dieses Prinzips aus der Milchuntersuchung weitere Parameter zu ermitteln. Dazu gehört auch das Ketose-Risiko.
Was ist eine Ketose?
Die Ketose ist eine der bedeutendsten Stoffwechselerkrankungen in der Frühlaktation. Zu Beginn der Laktation steigt die Futteraufnahme nicht im selben Maße wie die Milchleistung. Die Kuh versucht ihr Energiedefizit mit der Einschmelzung von Körperfett auszugleichen, was eine Anhäufung von freien Fettsäuren im Blut mit sich bringt. Steht der Kuh nicht genug Glukose zur Verfügung, können die freien Fettsäuren nicht energetisch im Stoffwechsel genutzt werden, sodass sie zur Leber gelangen und dort unter anderem zu Ketonkörpern umgebaut werden. Die Ketonkörper sammeln sich im Blut, Harn und in der Milch an und verursachen die Erkrankung.
Bei einer Ketose wird zwischen einem klinischen und einem subklinischen Verlauf unterschieden. Eine klinische Ketose ist an Symptomen wie Milchleistungsabfall, einem hohen Milchfettgehalt, Fressunlust und Abmagerung zu erkennen. Ein erheblich größerer Anteil der Ketosen tritt jedoch subklinisch auf, das heißt ohne äußerlich sichtbare Symptome. Unentdeckte und damit nicht behandelte Ketosen können Folgeerkrankungen wie Leberschäden, Labmagenverlagerungen und Fruchtbarkeitsstörungen mit sich bringen. Damit führt eine Ketose in jedem Fall zu einer verminderten Tiergesundheit und wirtschaftlichen Einbußen, sodass die Prophylaxe und Früherkennung immer im Blick des Milchviehhalters stehen sollten.
Was ist KetoMIR?
Um den Milchviehhalter ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand bei der Erkennung einer Ketose zu unterstützen, wurde unter Federführung des Landeskontrollverbandes (LKV) Baden-Württemberg KetoMIR entwickelt – eine Formel, die das Risiko, an einer Ketose zu erkranken, in den ersten 120 Laktationstagen abschätzt. KetoMIR ist keine Kalibrationsgleichung, sondern eine Schätzformel, die Spektraldaten mit über Kalibrationsgleichungen geschätzten Parametern (zum Beispiel dem Fettgehalt) und weiteren Parametern (zum Beispiel der Laktationsnummer) kombiniert. Sie gibt einen Index aus, der im Wertebereich zwischen 0 und 1 liegt.
Zur einfachen und praxistauglichen Interpretation wurde dieser in drei Klassen eingeteilt. Die Ketose-Klassen 1, 2 und 3 stehen für ein geringes, mittleres und hohes Risiko der Kuh, an einer Ketose zu erkranken. Die Ketose-Klasse gibt einen Hinweis auf gefährdete oder erkrankte Kühe und ist daher nicht als alleiniges Kriterium der Diagnostik anzusehen.
Im Zuge der Milchleistungsprüfung, die für gewöhnlich alle vier Wochen stattfindet, ist es zudem nicht möglich, die Milch jeder Kuh in der risikoreichsten Phase zu untersuchen. Daher eignet sich die Ketose-Klasse besonders für Herdenauswertungen. Mithilfe der Anteile der Kühe in den Ketose-Klassen kann abgeschätzt werden, ob grundsätzlich ein hohes Ketose-Risiko in der Herde besteht und gegebenenfalls das Herdenmanagement auf mögliche Schwachstellen analysiert werden sollte.
Neben dem LKV Baden-Württemberg bieten der LKV Nordrhein-Westfalen, der LKV Schleswig-Holstein und die österreichischen LKV die Bestimmung der Ketose-Klasse als weitere Dienstleistung im Rahmen der Milchleistungsprüfung an.
Risikofaktoren einer Ketose
Die geschätzten Ketose-Klassen aus den Kontrolljahren 2020 bis 2022 des LKV Schleswig-Holstein wurden genutzt, um drei bekannte Risikofaktoren einer Ketose darzustellen. Die hier präsentierten Abbildungen basieren auf etwa 1,8 Millionen Beobachtungen von rund 360.000 Kühen der Rasse Deutsche Holsteins Schwarzbunt aus 2.397 Betrieben. Die durchschnittliche Milchleistung lag bei 35,1 kg mit 3,96 % Fett und 3,27 % Eiweiß.
Eine Ketose-Erkrankung wird zum einen vom Laktationsstadium beeinflusst. Abbildung 1 stellt die Anteile der Ketose-Klassen je Laktationswoche dar. Der höchste Anteil der Ketose-Klasse 2 und 3 ist in der ersten Laktationswoche zu finden. Daraufhin nehmen die Anteile ab, wobei der Anteil der Ketose-Klasse 1 bis zur 18. Laktationswoche zunimmt.
Zum anderen stellt die Laktationsnummer einen Risikofaktor dar. Mit steigender Laktationsnummer nimmt das Risiko zu, an einer Ketose zu erkranken. Ab der fünften Laktation beträgt der Anteil der Kühe mit Ketose-Klasse 2 und 3 über 50 % (Abbildung 2).
Des Weiteren ist bekannt, dass das Kalbedatum Einfluss haben kann, da sich durch Hitzestress in den Sommermonaten die Futteraufnahme zusätzlich reduziert. Die Daten zeigen, dass bei Kühen, die im zweiten Quartal des Jahres gekalbt haben, der höchste Anteil an Ketose-Klasse 2 und 3 geschätzt wurde.
Mit Daten anderer Rassen in Schleswig-Holstein zeigen sich ähnliche Ergebnisse, sodass diese drei Risikofaktoren übereinstimmend mit der Literatur auch für andere Rassen zutreffen.
Ketose-Klasse oder FEQ?
Der Fett-Eiweiß-Quotient (FEQ) ist ein bekannter Parameter, der bei einem Wert von über 1,5 auf eine Ketose hinweist. Für die Abbildung 3 wurde der FEQ in drei Klassen eingeteilt (Klasse 1: FEQ unter 1,0; Klasse 2: FEQ von 1,0 bis 1,5; Klasse 3: FEQ über 1,5) und deren Anteile in Abhängigkeit von der Ketose-Klasse abgebildet. Etwa 95 % der Kühe mit Ketose-Klasse 1 hatten einen FEQ kleiner oder gleich 1,5 und etwa 60 % der Kühe mit Ketose-Klasse 3 hatten einen FEQ von über 1,5. Damit zeigt sich ein Unterschied der beiden Parameter im Hinblick auf potenziell erkrankte Kühe.
Es gibt zwei Größen zur Beurteilung der Parameter. Die Spezifität gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Tier als gesund eingestuft wird, wenn es tatsächlich gesund ist. In der Literatur lassen sich für die Spezifität des FEQ Werte von 69 bis 71 % und für den KetoMIR-Index ein Wert von 84 % finden. Die Sensitivität gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass eine Erkrankung erkannt wird, wenn das Tier tatsächlich krank ist. Für die Sensitivität des FEQ werden Werte zwischen 58 und 66 % und für den KetoMIR-Index ein Wert von 72 % angegeben. Folglich zeigen sich beim KetoMIR-Index höhere Wahrscheinlichkeiten für die Erkennung von gesunden und kranken Kühen als beim FEQ.
Fazit
Spektraldaten, die bei der Milchuntersuchung generiert werden, können nicht nur zur Bestimmung der Milchinhaltsstoffe, sondern auch zum Gesundheitsmonitoring genutzt werden. Beispielhaft zeigt dies die Anwendung der KetoMIR-Formel zur Abschätzung des Ketose-Risikos in den ersten 120 Laktationstagen. Die damit ermittelte Ketose-Klasse bietet einen zusätzlichen Hinweis für die Erkennung einer Ketose, besonders im Hinblick auf die Erkennung eines erhöhten Ketose-Risikos in der Herde. In Zukunft könnten noch weitere Parameter Einzug in die Milchleistungsprüfung halten. Trotz der Möglichkeiten, die Spektraldaten zur Erkennung von Erkrankungen bieten, lässt sich der tägliche Blick auf die Kuh damit aber nicht ersetzen.