StartNachrichtenLand & LeuteErste Hilfe bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz

Erste Hilfe bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz

Landesvereinigung für Gesundheitsförderung bietet digitales Informationsangebot zur Prävention und Entstigmatisierung
Von Iris Jaeger
Permanente Überbelastungen auch im beruflichen Kontext können zu einer chronischen psychischen Erkrankung führen. Foto: Imago

Wenn wir körperliche Beschwerden haben, gehen wir zum Arzt. Doch was ist, wenn die Seele leidet, wir uns mental und psychisch angeschlagen oder belastet fühlen? Erkenne ich die Symptome überhaupt? Und wie gehe ich damit auf der Arbeit um? Vor den Kollegen verbergen, aus Angst vor Konsequenzen? Offen ansprechen? Oder einfach weiterfunktionieren, als wäre nichts? Psychische Belastungen und Erkrankungen, auch am Arbeitsplatz, haben stark zugenommen, und das nicht erst seit Corona.

Die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein (LVGFSH) hat deshalb einen Expertenkreis zur „Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz“ ins Leben gerufen. Ziel ist, Führungskräfte, Betroffene sowie Kolleginnen und Kollegen für die Thematik zu sensibilisieren und niedrigschwellige Informationen und Hilfe anzubieten.

Dazu hat die LVGFSH vergangene Woche ihr neues digitales Informationsangebot zum Umgang mit psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz vorgestellt. Darüber hinaus bietet sie auf der Internetseite lvgfsh.de/gesund-leben-und-arbeiten einen Erste-Hilfe-Koffer für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz an. Mit diesem „Koffer“ erhalten Betroffene, Kollegen und Führungskräfte Informationen zu Signalen, die auf eine psychische Beeinträchtigung hinweisen können, und bekommen Tipps und Hinweise für die Ansprache und externe Unterstützungsangebote an die Hand.

„Nicht jede Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit ist gleich eine psychische Erkrankung“, betonte Dr. Petra Schulze-Lohmann von der LVGFSH. Und: Es gehe um Wahrnehmung, Verständnis und darum, ins Gespräch zu kommen. Es gehe nicht darum, diejenige oder denjenigen zu therapieren. Das persönliche Umfeld, darunter auch die Arbeit, könne dazu beitragen, dass aus einer Belastung gar nicht erst eine chronische Erkrankung werde.

Das Kollegium sowie Führungskräfte könnten dabei eine positive Rolle einnehmen. Mit den Präventions- und Entstigmatisierungsangeboten werde allen Menschen im Kontext Arbeitsplatz gezeigt, wie sie ihren Teil dazu beitragen könnten. „Eine gut gestaltete Arbeit ist etwas, das sehr gesundheitsförderlich ist“, erklärte Michael Gümbel, Geschäftsführer beim Verein Arbeit und Gesundheit in Hamburg. Was die Gestaltung dieser Arbeitsbedingungen angehe, gebe es in vielen Betrieben noch ein Entwicklungspotenzial. Dabei sei ein Gefühl der Selbstwirksamkeit ein wesentliches Element der psychischen Gesundheit. Dazu trage ein Arbeitsumfeld bei, bei dem Konflikte gelöst würden und ein gutes Miteinander herrsche, so Gümbel. Sowohl Betriebe als auch Beschäftigte in der Metropolregion Hamburg fänden mit der PAG – Perspektive Arbeit & Gesundheit eine Anlaufstelle, bei der sie kostenfreie und vertrauliche Beratung erhielten. In Schleswig-Holstein hat die PAG ihren Sitz in Lübeck. „Wir beraten Beschäftigte, die sich betroffen fühlen, aber auch Betriebe, die aktiv für gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen sorgen möchten. Ein weiteres Hilfsmittel, das immer mehr angefragt wird, sind die von der LVGFSH angebotenen Mental-Health-First-Aid-Kurse“, so Schulze-Lohmann. Analog zur körperlichen Ersten Hilfe, wie viele sie zum Beispiel aus der Führerscheinausbildung kennen, biete der zwölfstündige Kurs Erste Hilfe beim Erkennen und Verstehen erster Anzeichen und Symptome psychischer Belastung oder Erkrankung. „Er kann Menschen helfen, die richtigen Worte zu finden, angemessen zu reagieren und so lange Hilfestellung zu bieten, bis professionelle Hilfe verfügbar ist“, so Schulze-Lohmann.

Unterstützt und gefördert werden alle diese Angebote sowie der Expertenkreis vom Gesundheitsministerium des Landes. „Vorsorge ist besser als Nachsorge, auch deshalb messen wir Prävention und Gesundheitsförderung einen hohen Stellenwert bei“, zietierte Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) aus dem Koalitionsvertrag des Landes. Mit den neuen digitalen Informationsangeboten der LVGFSH gehe es nicht nur darum, Kollegium und Führungskräfte für das Erkennen und den Umgang mit psychischen Belastungen zu sensibilisieren, sondern auch Betroffene zu ermutigen und anzuleiten, bestehende Angebote anzunehmen und das Gespräch im Betrieb zu suchen.

An den Mental-Health-First-Aid-Kursen Interessierte können sich unter gesundheit@lvgfsh.de nach Terminen erkundigen. Ausführliche Informationen zu den genannten Hilfen sowie weitere Angebote und Adressen für direkte Hilfe vor Ort, Literatur und Leitfäden gibt es unter lvgfsh.de/gesund-leben-und-arbeiten/entstigmatisierung



WEITERE ARTIKEL
- Anzeige -
- Anzeige -

Meistgeklickt

Milch: Knapp und teuer

BB-Slider