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Finnland – 20 Jahre Kupierverzicht

Schweine aktuell: Was können hiesige Betriebe aus den Erfahrungen lernen?
Von Sara Weyer, Elena Frenken, FBF e. V.; Anna Farwick, ISN-Projekt GmbH
Strukturierte Buchten in der Ferkelaufzucht, das richtige Klima und stets Zugang zu Raufutter sind für den Ringelschwanz wichtige Kriterien. Fotos: Mirjam Lechner

Seit 20 Jahren gilt in Finnland ein absolutes Schwanzkupierverbot bei Schweinen. Welche Erfahrungen haben finnische Schweinehalter gemacht, und was können deutsche Betriebe von ihnen lernen? Die Ergebnisse einer Exkursion in den Norden fasst der Beitrag zusammen.

Mit dabei war eine Expertengruppe mit fachlichen Schwerpunkten in den verschiedenen Bereichen der Schweinehaltung. So ist Dr. Sophie Diers vom Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp für den Schwerpunkt Fütterung mitgereist.

Timo Heikillä teilt sein Wissen über den Ringelschwanz mit Berufskollegen im In- und Ausland. Foto: Dr. Jochen Werner

Timo Heikkilä, der größte Ferkelproduzent Finnlands, hält rund 3.500 Sauen und erzeugt mit ihnen jährlich über 100.000 Ferkel – das sind ungefähr 5 % aller Ferkel in Finnland. Zusätzlich hat er auf seinem Betrieb Platz für die Aufzucht von 1.200 Jungsauen. Aus Tiergesundheitsaspekten setzt der Landwirt auf Eigenremontierung. Grundsätzlich erfreut der Betrieb sich eines sehr hohen Gesundheitsstatus. Interessant wird es beim Thema Ringelschwanz: Auf die Frage, wie viel Prozent der Ferkel mit intaktem Ringelschwanz an den Mäster gehen, antwortet Heikkilä: „Wir erfassen das gar nicht so genau, aber es sind sicherlich über 90 Prozent.“

Auch in Finnland sei viel über das Kupierverbot diskutiert worden. Größter Kritikpunkt war dabei laut dem Schweinehalter die auch in seinen Augen unfaire Wettbewerbssituation für Finnland. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als der absolute Kupierverzicht eingeführt wurde. „Es herrschte teilweise Panik“, sagt er. In seinem eigenen Betrieb hat Timo Heikkilä vieles ausprobiert und zuletzt auch bauliche Veränderungen für den Ringelschwanz vorgenommen. Jede seiner rund 3.500 Sauen ferkelt mittlerweile in einer Bewegungsbucht ab, und alle Tiere haben stets Zugang zu Raufutter.

Besonders beim Stallklima, bei der Reduktion von Schadgaskonzentrationen und der Energieeffizienz hat Timo Heikkilä viel angepasst und in Innovationen investiert. Betritt man eines der Abteile, fällt zum Beispiel auf den ersten Blick ein großer Plastikschlauch entlang der Stalldecke auf. In regelmäßigen Abständen sind Löcher in den Schlauch gestanzt, durch die die Zuluft gleichmäßig in jeden Bereich des Abteils eingebracht wird. Die mit eingeleiteten Staub- und Schmutzpartikel setzen sich nach dem Prinzip der Schwerkraft aufgrund der geringen Luftgeschwindigkeit größtenteils im Inneren des Schlauchs ab und geraten so nicht mit den Tieren im Abteil in Kontakt. Je nach Verschmutzung können die Kunststoffschläuche vergleichsweise einfach und schnell getauscht werden. Um Schadgase im Stall und vor allem im Tierbereich zu reduzieren, setzt der Betrieb auf eine Güllekühlung. Die Abwärme der Gülle wird außerdem zum Heizen im Winter genutzt.

Der Hof von Timo Heikkilä ist im Umkreis von rund 10 km der einzige mit Schweinen.
Die Expertinnen aus Deutschland verschafften sich einen umfassenden Eindruck in Finnland.
Die Expertengruppe (v. li.): Filmproduzent Dr. Jochen Werner (firefilm), Dr. Markus Böcklmann, Projektkoordinatorin Sara Weyer, Mirjam Lechner, Carmen Fögeling, Dr. Sophie Diers, Projektkoordinatorin Anna Farwick. Foto: Dr. Sophie Diers

Mikroklima entscheidend

Allgemein fiel auf, dass finnische Schweineställe grundsätzlich kühler gefahren werden, als man es aus Deutschland kennt. Um Heizkosten zu minimieren, setzt man hier vermehrt auf Mikroklimazonen, statt den ganzen Stall zu beheizen. Da das Prinzip der Klimazonen so entscheidend ist, richtet sich auch die klassische Buchtenstruktur, sowohl in der Ferkelaufzucht als auch in der Mast, danach aus: Die Buchten sind stets rechteckig geschnitten und überwiegend planbefestigt. Lediglich ein Drittel der Bucht ist meist perforiert, da die Tiere hier den Kotbereich anlegen sollen. Ein Kontaktgitter zur Nachbarbucht in diesem Bereich hilft dabei, den Kot- und Harnabsatz dort zu konzentrieren.

Der planbefestigte Liegebereich ist meist mit einer verstellbaren Abdeckung versehen, damit sich die Wärme dort konzentriert und den Schweinen eine angenehme Liegetemperatur verschafft. Charakteristisch für den Aktivitätsbereich sind häufig Raufen mit Heu oder Stroh sowie ein Langtrog mit einem Tier-Fressplatz-Verhältnis vom maximal 2:1. Die Futtervorlage erfolgt automatisiert und flüssig.

Die Gefahr für das Auftreten von Hitzestress, der für die Tiergesundheit von immenser Bedeutung ist, wird minimiert. Ebenso wird dem Konkurrenzkampf um die Ressource Futter entgegengewirkt. Die Schweine sind insgesamt ruhiger und gelassener.

Wissen teilen

Timo Heikkilä hält mittlerweile zahlreiche Vorträge zum Kupierverzicht und informiert auch in anderen EU-Ländern über Erfahrungen mit der Haltung unkupierter Schweine in Finnland. „Ich stelle mir längst nicht mehr die Frage, ob noch kupiert werden sollte.“

Auf der Versammlung der Interessengemeinschaft finnischer Schweinehalter sei die Haltung unkupierter Tiere zwar nach wie vor ein Thema, allerdings auf einer anderen Ebene: In Finnland soll ein Bonitierungsprogramm entwickelt werden, bei dem auch der intakte Ringelschwanz einbezogen wird. Deshalb stehen hier zukünftig die Erfassung und Definition des „intakten Schwanzes“ vermehrt im Fokus.

Die ausführliche Videoreihe der Exkursion nach Finnland findet sich unter: ringelschwanz.info/videos/

Der erste Trailer der Videoreihe: „20 Jahre Kupierverzicht in Finnland – eine Ringelschwanzreise“:


Das Nationale Wissensnetzwerk Kupierverzicht ist Teil der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz im Bundesprogramm Nutztierhaltung. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Projektpartner im Nationalen Wissensnetzwerk Kupierverzicht sind der Förderverein Bioökonomieforschung, die ISN-Projekt GmbH und die IQ-Agrar GmbH.


Termine

Im Oktober und ­November finden verschiedene Veranstaltungen rund um die ­Schweinehaltung im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp statt:

am 26. Oktober ein Lüftungsseminar für Praktiker über das Netzwerk Fokus Tierwohl, Anmeldung über avmallinckrodt@lksh.de

vom 13. bis 15. November ein Eigenbestands-Besamungskurs, Anmeldung über avmallinckrodt@lksh.de

Am 28. November ist der ­Große Schweinetag SH, Anmeldung nicht erforderlich.


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