Um Pflanzenbausysteme noch besser zu verstehen, lohnt sich der Blick unter die Erdoberfläche. Denn neben dem Züchtungsfortschritt spielen auch die Bodeneigenschaften eine große Rolle bei der Anpassung des Ackerbaus an die Folgen des Klimawandels. Das verdeutlichte die Deutsche Saatveredelung (DSV) bei einem Pressegespräch am Dienstag (10. Oktober) auf ihrer Zuchtstation im niedersächsischen Asendorf.
Durch die Erderwärmung und häufiger auftretende Extremwetterereignisse braucht es zukünftig nicht nur resiliente Sorten. „Neben innovativen Sorten werden intelligente Anbausysteme immer wichtiger“, erklärte DSV-Vorstand Dr. Eike Hupe.
Für die DSV gehören Zwischenfrüchte dazu. Treiber des Zwischenfruchtanbaus sei mittlerweile nicht mehr das Erfüllen von Greening-Auflagen, sondern „dem Boden etwas Gutes zu tun“, unter anderem durch Humusanreicherung. Die DSV sieht sich selbst nicht mehr als reinen Saatgutanbieter. „Wir müssen zu den Landwirten fahren und den Nutzen eines Zwischenfruchtanbaus erklären“, betonte Hupe, dessen Unternehmen in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. Die eigene Forschung sei immer der Erfolgsgarant für die DSV gewesen. Rund 12 % des Umsatzes flössen aktuell in die Entwicklung neuer Sorten und Anbausysteme.
Phoma-Blocker
„Wir suchen die Eier legende Wollmilchsau“, schilderte Sebastian Hötte. Der DSV-Rapsexperte nannte neben den Witterungsbedingungen auch biotische Faktoren und die politischen Rahmenbedingungen als Richtschnur für die Züchtung neuer Sorten. Neben Kohlhernie sei im Raps die Wurzelhals- und Stängelfäule (Phoma) von großer Bedeutung. Um einen Resistenzbruch zu verhindern, kombiniere die DSV verschiedene Gene. Hötte veranschaulichte: „Um dieses Schloss zu knacken, braucht es einen Schlüssel mit mehreren Bärten.“ Die Sorte ,Ludwig‘, die ab 2024 in Deutschland verfügbar ist, sei so ein „Phoma-Blocker“.
Linda Hahn, DSV-Expertin für Getreide und grobkörnige Leguminosen, berichtete: „Wir hatten den wärmsten September seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.“ Das Gerstengelbverzwergungsvirus (BYDV) drohe erheblich zuzuschlagen, weil Blattläuse als Überträger massiv aufgetreten seien. Dagegen könnten Landwirte entweder mit Pflanzenschutzmitteln zur richtigen Zeit oder mit resistenten Sorten reagieren. Die Sorte ,Fascination´, die in Frankreich schon zugelassen sei, besitze eine solche BYDV-Resistenz. In der Weizenzüchtung habe die DSV Genomsequenzen aus trockenheitstolerantem Roggen transferiert. Dabei sei unter anderem die B-Weizensorte „Debian“ entstanden, die zusätzlich resistent gegen die Orangerote Weizengallmücke (sm1) ist.
Hahn betonte den „extremen Vorfruchtwert“ von Leguminosen. Die Weiße Lupine sei durch die eingezüchtete Anthraknosetoleranz wieder anbaufähig geworden. Dieses Jahr sei die Kultur deutschlandweit auf insgesamt 20.000 ha angebaut worden. Die Weiße Lupine könne bis zu 3 m tief wurzeln und über Wurzelexsudate den pH-Wert absenken, um beispielsweise Phosphor zu mobilisieren.
Globale Grenzen
Dr. Gernot Bodner vom Institut für Pflanzenbau der Universität für Bodenkultur Wien erklärte mit Blick auf die Herausforderungen der Landwirtschaft: „Um die globalen Grenzen einzuhalten, ist es wichtig, den Boden zu verstehen.“ Der Green Deal der EU werde die Landwirtschaft in den kommenden Jahren massiv verändern. „Wir suchen den klimafitten Boden“, so Bodner.
Der Privatdozent erläuterte, dass steigende Temperaturen die Energie in der Atmosphäre erhöhten. Damit Boden Energie aufnehmen könne, müsse grüne Vegetation daraufstehen. Überhitzte Böden seien schädlich für das Bodenleben. Positiv seien hingegen Böden mit vielen Grob- und Mittelporen. Um so entsprechende Bodenstrukturen zu fördern, empfiehlt er den Anbau diverser Zwischenfrüchte sowie pfluglose Bodenbearbeitung.
Neue Erkenntnisse zum Zwischenfruchtanbau aus dem sogenannten Catchy-Projekt stellte DSV-Mitarbeiter Dr. Matthias Westerschulte vor. Neben dem langfristigen Humusaufbau zeige sich der Mehrwert des Zwischenfruchtanbaus auch in einer verbesserten Befahrbarkeit und mehr wasserstabilen Bodenaggregaten. Die pauschale Aussage, dass Zwischenfrüchte der Hauptkultur das Wasser „klauten“, nannte er daher falsch. Man müsse zudem zwischen winterharten und abfrierenden Zwischenfrüchten unterscheiden. Insbesondere bei abfrierende oder abgetöteten Zwischenfrüchten reduziere die Mulchdecke sogar die Verdünstung.