Bei der Betrachtung der Ergebnisse des Rinder-Reportes fällt immer wieder auf, dass Betriebe mit großen Herden und hohen Milchleistungen tendenziell bessere Betriebszweigergebnisse (BZE) erzielen. Daher lieg die Schlussfolgerung nahe, dass für eine ökonomisch erfolgreiche Milchviehhaltung weiterhin gelten muss „Wachse oder weiche“. Im Folgenden sollen die Einflussfaktoren Herdengröße und Milchleistung auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Milchviehbetriebe anhand der 183 mit BZA-Office ausgewerteten Betriebe des Rinder-Reportes 2022 genauer betrachtet werden.
Dem Prinzip der Betriebszweigauswertung folgend, werden die Kosten eines Betriebszweiges auf die Anzahl der produzierten Einheiten verteilt, bei der Milchviehhaltung auf die Menge der erzeugten Milch. Eine Verbesserung des Betriebszweigergebnisses durch eine Verteilung der gleichen Kosten auf eine größere Menge an produzierten Einheiten ist also erst einmal rein mathematisch eine vergleichsweise simple Rechnung und noch keine einzelbetriebliche Entscheidung.
Interessanter wird diese Rechnung, wenn man in die Betrachtung die Veränderung der Kosten einbezieht. Bei einer Steigerung der produzierten Menge steigen gleichzeitig auch die Gesamtkosten der Produktion. Die Herausforderung besteht darin, die optimale Einsatzmenge im Verhältnis zur produzierten Menge zu finden.
Verhältnis von Kosten und Menge
Dies gilt im Besonderen für die variablen Kosten (zum Beispiel Futter und Arbeit), die mit jeder produzierten Einheit eingesetzt werden müssen, während die fixen Kosten (zum Beispiel Gebäude und Maschinen) nicht direkt mit der produzierten Menge steigen und zu geringen Kosten je Einheit führen, solange ihre Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht ist.
Ein praxisnahes Beispiel ist die eingesetzte Menge Kraftfutter. Stellt man die produzierte Milchmenge sowie die verbrauchten Mengen Kraftfutter pro Kuh und Kilogramm ECM gegenüber, wird deutlich, dass mit steigender Milchmenge die eingesetzte Gesamtmenge pro Tier steigt, jedoch nicht in dem Maße, in dem mehr Milch produziert wird. Gleichzeitig verbessert sich die eingesetzte Menge je produzierter Einheit (Abbildung 1) – ein praktisches Beispiel, das den meisten Milchviehhaltern aus dem Vorjahr noch gut in Erinnerung ist. Dass die eingesetzte Kraftfuttermenge mit den stark gestiegenen Preisen noch wirtschaftlich sinnvoll war, konnten auch aufgrund der hohen Milchpreise viele Landwirte trotzdem bejahen.
Einfluss der Herdengröße
Sollen hingegen die fixen Kosten auf mehr Einheiten verteilt werden, ist die Steigerung der Herdengröße eine Möglichkeit. Um die Verteilung der Herdengröße und Milchleistung noch genauer zu betrachten, sind in Abbildung 2 alle 183 Betriebe nach ihrer Herdengröße und Milchleistung dargestellt, unabhängig von ihrem BZE. Hierbei wird der Trend zu einer höheren Milchleistung bei größeren Betrieben deutlich.
Auffällig ist aber auch, dass bei den geringeren Betriebsgrößen die Streuung der Milchleistung noch deutlich größer ist. Während bei den Betrieben bis zu 250 Kühen von den höchst- bis niedrigleistenden Betrieben noch alle Milchleistungen vertreten sind, liegen die Leistungen bei den größeren Betrieben deutlich dichter zusammen.
Mehr Milch immer besser?
Um die Frage beantworten zu können, ob eine Steigerung der Milchleistung auch immer zu einer Verbesserung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses führt oder sogar eine notwendige Bedingung ist, sollen die Betriebszweigergebnisse der 183 Betriebe genauer betrachtet werden. Wie in Abbildung 3 dargestellt, wurden die Betriebe in vier Leistungsgruppen nach ihrer durchschnittlichen Milchleistung eingeteilt. Innerhalb dieser Gruppe wurden der Durchschnitt der Gruppe sowie die jeweils 25 % erfolgreicheren und weniger erfolgreicheren Betriebe sortiert nach ihrem BZE ausgewertet. Außerdem wurde die durchschnittliche Herdengröße der Betriebe in den Gruppen ausgewiesen.
Der grundlegende Trend zu besseren BZA-Ergebnissen bei steigenden Milchleistungen wird in dieser Darstellung sichtbar. Im Durchschnitt sind die Betriebe der höheren Milchleistungsklassen in der Lage, Betriebszweigergebnisse zu erreichen, die deutlich über denen der Betriebe mit weniger als 8.500 kg ECM liegen. Gleichzeitig steigt die durchschnittliche Herdengröße der Betriebe an. Dies gilt so eindeutig nur für den Durchschnitt der Betriebe. Besonders bei den jeweils 25 % weniger erfolgreicheren Betrieben ist auffällig, dass sich die Herdengröße mit steigender Milchmenge nur sehr wenig entwickelt.
Für die weniger erfolgreichen 25 % der Betriebe in allen Milchleistungsklassen ist außerdem auffällig, dass sie trotz höherer Milchleistung nicht in der Lage sind, ein positives BZE zu erreichen. Für die Milchleistungsklassen oberhalb von 9.500 kg ECM zeigt sich, dass sich die beiden Klassen nur noch sehr wenig unterscheiden, obwohl die Betriebe gerade bei den erfolgreicheren 25 % der Betriebe mit mehr als 10.500 kg ECM noch einmal deutlich größer sind als in den anderen Milchleistungsklassen. Außerdem erzielen jeweils der Durchschnitt und die weniger erfolgreicheren Betriebe mit weniger als 8.500 kg ECM ein deutlich negativeres BZE als die Betriebe der anderen Leistungsgruppen.
Gilt „Wachse oder weiche“ noch?
Die Praxisdaten zeigen, dass der Trend zu höheren Milchleistungen bei größeren Betrieben auch bei genauer Betrachtung der Daten nachweisbar ist. Zu einer differenzierten Betrachtung gehört dabei aber auch die Einbeziehung der Betriebszweigergebnisse.
Diese zeigen, dass es gerade in den durchschnittlichen Betriebsgrößen und Milchleistungen eine breitere Streuung der Ergebnisse gibt, die sich bei einer reinen Betrachtung des Durchschnittes nicht zeigt. Diese Betrachtung lässt außer Acht, dass die Milchproduktion in Schleswig-Holstein unter sehr unterschiedlichen Standortbedingungen stattfindet und es daher auch andere wirtschaftlich Erfolg versprechende Strategien möglich sind als „Wachse oder weiche“.
Rein statistisch gesehen ist es schwierig für kleine Betriebe mit niedriger Milchleistung, ein positives BZE zu erzielen. Aus ökonomischer Sicht müssen diese Betriebe dann in der Lage sein, ein sehr niedriges Inputniveau zu realisieren. Dabei sind die Potenziale und Grenzen des Standortes zu hinterfragen, um zu einer erfolgreichen Betriebsstrategie zu kommen.
Entscheiden sich solche Betriebe für einen Wachstums- oder Automatisierungsschritt, ist eine Steigerung der Milchleistung zur Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Situation zwingende Voraussetzung, um die Investitionen erfolgreich nutzen zu können. Dazu gehören neben der betrieblichen Ausstattung (Gebäude, Flächen, Technik) auch die fachliche Eignung und Einstellung des Betriebsinhabers zur neuen Technik oder dem Management einer größeren Herde.
Fazit
Größere Herden und eine Steigerung der Milchleistung versprechen eine Verbesserung des BZE. Die Verteilung der Kosten auf eine größere Menge ermöglichen ein besseres betriebswirtschaftliches Ergebnis. Bei genauer Betrachtung der Ergebnisse des Rinder-Reportes 2022 ergibt sich ein detaillierteres Bild.
Bei der Betrachtung der Herdengröße und der Milchleistung der Betriebe zeigt sich bei kleineren Herdengrößen eine deutlich größere Streuung in der Milchleistung, während bei größeren Betrieben die Streuung abnimmt und die Leistung steigt. Bezieht man das BZE in die Betrachtung ein, zeigt sich, dass Betriebe mit Milchleistungen unter 8.500 kg ECM sich deutlicher von den anderen Milchleistungsklassen unterscheiden, während oberhalb von 9.500 kg ECM die Unterschiede abnehmen.
Aus der vorgestellten Betrachtung der BZE lässt sich keine reine Empfehlung zur Steigerung der Herdengröße oder Milchleistung ablesen. Vielmehr sind besonders vor Investitionen in Wachstums- oder Automatisierungsschritte die betriebsindividuellen Potenziale zu hinterfragen, um die geeignete Strategie zu identifizieren.