StartNachrichtenAgrarpolitikInsellandwirtschaft kämpft mit Gefahren aus der Luft

Insellandwirtschaft kämpft mit Gefahren aus der Luft

Rindermastbereisung führte zu Landwirten, die ihre Betriebskonzepte anpassen müssen, um zu bestehen
Von Mechthilde Becker-Weigel
Der Betrieb Hinrichsen auf Föhr hat sich auf Mutterkuhhaltung ( Shorthorn) und Direktvermarktung spezialisiert und bietet als Spezialität Whisky aus eigener Bio-Produktion  an. Foto: mbw 

Die Rindermastbereisung, zu der der Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) und die Arbeitsgemeinschaft Vieh und Fleisch Schleswig-Holstein (Landesmarktverband) einladen, führte in diesem Jahr auf die Insel Föhr. Die Traditionsveranstaltung fand am vorigen Freitag statt. Die Teilnehmer aus Landwirtschaft, Politik, Zucht, Handel, Schlacht- und Fleischgewerbe diskutierten und informierten sich über die Entwicklung und Marktsituation in der Rindermast und die Bedeutung der Gänsefraßschäden für Landwirte und Viehhalter auf den Inseln und in den Küstenregionen.

Klaus-Peter Dau, Präsidiumsmitglied des BVSH und Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Schleswig, betonte in seiner Begrüßung die hohe Teilnehmerzahl mit über 60 Personen und freute sich über das große Interesse. „Durch die Exkursion auf die Insel Föhr wollen wir den Stellenwert Landwirtschaft hier betonen und uns mit den besonderen Gegebenheiten und Herausforderungen der Insellandwirtschaft beschäftigen“, betonte Dau in seiner Begrüßung.

Kampf um freie Flächen

Die Busfahrt vom Schiffsanleger in Wyk bis zu seinem Betrieb in Alkersum nutzte Landwirt Jens Olufs dazu, die Probleme der Insellandwirtschaft mit der hohen Gänsepopulation darzustellen. „Gänse sind erst seit 25 Jahren auf der Insel. Das Problem begann mit den Graugänsen“, erläuterte Olufs und zeigte Grünlandflächen, auf denen bis zum 19. August erst ein Schnitt möglich war, weil der gesamte Aufwuchs von den Graugänsen „abgeerntet“ wurde. Er erklärte das Phänomen, dass sich Naturschutzflächen in der Nachbarschaft als Nachteil erweisen, weil die Gänse auf die bewirtschafteten als Futterflächen ausweichen.

Kleine Käufergruppe aktiv

Hinzu komme die Verknappung von Kaufflächen durch vier große Investoren. „Vier große Player sind Käufer auf Föhr. Die Stiftung Naturschutz, der BUND, der Kreis in Zusammenarbeit mit dem Hegering und der Verein Elmeere, der sich zur Aufgabe gemacht hat, landwirtschaftlich genutzte Flächen zu kaufen, um ihren ursprünglichen Charakter wiederherzustellen. Dem Verein gehören zu 95 % auswärtige Mitglieder an und kaum Insulaner“, erläuterte Olufs. Die Landpreise würden durch diese Ankäufe so in die Höhe getrieben, dass ansässige Landwirte mit ihren Geboten auf der Strecke blieben.

Die Fahrt ging vorbei an Milchviehbetrieben, die aufgehalten haben, weil die Erträge der Futterflächen nicht mehr ausreichten, die Tiere zu ernähren.

Olufs hat seine Ausbildung 1989 auf dem elterlichen Betrieb begonnen. Zu der Zeit waren auf Föhr 115 Vollerwerbsbetriebe. 2023 sind noch 25 Milchviehbetriebe und sieben Exoten, wie er es nennt, mit Schweinehaltung, Geflügel und Ammenkuhhaltung aktiv. Die Fläche der Insel umfasst 9.000 ha, davon sind 6.000 ha landwirtschaftlich nutzbar. Zu den 9.000 Einwohnern kommen 30.000 Gästebetten. Damit beschreibt der Landwirt ein wichtiges Standbein der meisten Betriebe. Olufs Lindenhof hat drei Standbeine. Nach der Milchviehhaltung ist das älteste Standbein die Vermietung von Fremdenzimmern und Gästewohnungen, später kam eine Photovoltaikanlage hinzu, die jährlich 450.000 kW Strom erzeugt.

Rinder und Inselwhisky

Auf dem Betrieb von Jonas und Jan Hinrichsen in Dunsum ist die Direktvermarktung ein Bestandteil des Unternehmenskonzeptes. Der Betrieb hält eine Shorthornherde mit 30 Mutterkühen, Kälbern, zwölf Mastochsen, weiblicher Nachzucht, sowie Schweinehaltung. Das Fleisch der Tiere wird im eigenen Hofladen vermarket und im Restaurantbetrieb angeboten. Zur Schlachtung müssen die Tiere aufs Festland und kommen als Steaks zurück.

Nach Bio-Richtlinien wird Getreide angebaut. Die Gerste wird auf dem Malzboden gemälzt, gebraut und in der hofeigenen Destillerie zu Whisky gebrannt. So entstehen seit zwei Jahren jährlich 8.000 l Whisky aus 50 t eigener Biogerste.

Die Idee entstand bei einer Reise in die USA, wo Hinrichsen einen Betrieb kennenlernte, der alle Schritte zur Whiskyherstellung selbst machte. Diese Idee adaptierte er auf Föhr. Seine Herstellung sei klein, zehnmal so klein wie die kleinste schottische Destille, aber lastet den Betrieb aus, so Hinrichsen. Er sei mit dieser Methode, alles aus einer Hand zu produzieren, der einzige in Deutschland und weltweit einer unter 20 Betrieben. Das einzige, was ihm das Leben schwer mache, sie Überbürokratisierung und die Gänseproblematik.

Auch er bestätigte, dass der Gänsebestand in den letzten Jahren stark zunimmt. Das kann sein Geschäftsmodell gefährden. Wenn die Getreideernte eingeschränkt wird, ist die Kreislaufwirtschaft des Betriebes für das Standbein Brennerei in Gefahr. Dann helfen auch keine Ausgleichszahlungen. mbw

Jan Hinrichsen hält auf seinem Betrieb 30 Mutterkühe der Rasse Shorthorn mit Kälbern, zwölf Ochsen und zwölf Tieren für die weibliche Nachzucht,  dazu kommen sechs Landsauen mit Nachzucht für die Mast. Futterbestandteil neben der Weide ist Biertreber aus der eigenen Whiskyproduktion. Foto: mbw
an Hinrichsen hält auf seinem Betrieb 30 Mutterkühe der Rasse Shorthorn mit Kälbern, zwölf Ochsen und zwölf Tieren für die weibliche Nachzucht,  dazu kommen sechs Landsauen mit Nachzucht für die Mast. Futterbestandteil neben der Weide ist Biertreber aus der eigenen Whiskyproduktion. Foto: mbw
Shorthornherde auf dem Betrieb von Jonas und Jan Hinrichsen in Dunsum.   Foto: mbw
Die Shorthornherde auf dem Betrieb von Jonas und Jan Hinrichsen in Dunsum hat zwar Weidegang satt, aber wird ab und zu verwöhnt mit Treber aus der Whiskyherstellung.   Foto: mbw
Blick in den Laufstall von Jens Olufs in Alkersum auf Föhr.  Foto: mbw
Jens Olufs hat einen Kälberstall nach Bio-Richtlinien gebaut, um sich für die Zukunft alle Möglichkeiten offen zu lassen. Foto: mbw
Im Kälber- und Jungviehstall von Jens Olufs wandern die Tiere mit zunehmenden Alter innerhalb des Stalls weiter bis es auf die Weide geht. Foto: mbw
Blick in den Milchviehstall von Jens Olufs. Foto: mbw
Klaus-Peter Lucht (r.) und Klaus-Peter Dau (2. v. r.) danken Karen und Jens Olufs für ihre Gastfreundschaft bei der Rindermastbereisung 2023. Foto: mbw
Rinder- und Whisky-Bauer Jan Hinrichsen mit Landwirtschaftsminister Werner Schwarz. Foto: mbw
Minister Werner Schwarz (2. v. li.), Jan Hinrichsen (4. v. li.), Dr. Klaus Drescher (vorn) und Astrid Damerow (r.) begutachten die Shorthornherde. Foto: mbw
Klaus-Peter Dau bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.  Foto: mbw
Klaus-Peter Lucht bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.  Foto: mbw
Dr. Albert Hortmann-Scholten bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.    Foto: mbw
Dr. Susanne Werner bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.  Foto: mbw
Die Teilnehmer der Rindermastbereisung konnten sich von der Qualität des Inselfleisches beim Mittagstisch im Farmrestaurant überzeugen. Fotos: mbw
Die Teilnehmer der Rindermastbereisung konnten sich von der Malzherstellung für die  Whiskybrennerei einen Eindruck machen. Foto: mbw 
Whiskydestille auf dem Hof Hinrichsen auf Föhr.   Foto: mbw
Die diesjährige Rindermastbereisung war sehr gut besucht. Die Teilnehmer interessierten sich für die unterschiedlichen Konzepte der landwirtschaftlichen Betriebe. Foto: mbw


Inselbauern kritisieren Gänsepolitik

Die beiden Junglandwirte Oke Martinen von der Insel Amrum und Gerrit Nickelsen von Föhr kritisierten als Inselbauern die Gänsepolitik des Landes.

Martinen betonte, dass viele Maßnahmen ergriffen wurden, aber der Gänsefraß von Jahr zu Jahr zunehme. Die Flächen seien mittlerweile so dicht besiedelt, abgefressen und verkotet, dass ihm keine ausreichende Futtergrundlage geblieben sei. Martinen hat seinen Hof umgestellt von Milchvieh auf Mastrinder und Legehennen.

Der Milchviehhalter Nickelsen machte deutlich, dass die Betriebe auf den Inseln durch den Gänsefraß 30 % mehr Futterfläche vorhalten müssten als normalerweise erforderlich sei, um ihre Tiere satt füttern zu können. Bei Futterzukäufen verwies er auf die zusätzlichen Kosten, die durch den Schiffstransport entstehen, wenn Kraftfutter oder generell Futter vom Festland zugekauft wird. Er wies auf die zu knappen Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) hin, die unter anderem diese Transportkosten kompensieren sollen.

Auf Martinens Betrieb sind Mais und Winterhafer die einzigen Früchte, die noch angebaut werden können aufgrund der Gänseproblematik. Die Anträge auf Entschädigungszahlung kritisierte er hart. So sei nur ein Bruchteil der vorgesehenen Zahlungen bei den Landwirten angekommen, weil weder Winterungen noch gängiger Getreideanbau förderfähig waren. mbw

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