Der Anbau von Wintergerste wurde 2023 in Schleswig-Holstein um 5 % auf nun 71.400 ha ausgedehnt. Dabei ist nach Schätzungen des Statistikamtes Nord ein Ertragsniveau von 84 dt/ha erreicht worden, was 2 % unter dem langjährigen Mittel liegt, aber mit 9 % deutlich unter dem starken Vorjahresniveau. Wie die Erträge und Qualitäten der einzelnen Sorten in den Landessortenversuchen (LSV) der Landwirtschaftskammer abgeschnitten haben, ist im Folgenden zu lesen.
Mit der erneut ausgedehnten Anbaufläche von Winterraps kommt der Wintergerste weiter eine wichtige Rolle als früh räumende Vorfrucht zu, die in der Fruchtfolge gleichzeitig Spiel für phytosanitäre Maßnahmen nach der Ernte lässt.
Die Aussaat der Wintergerste im zurückliegenden Herbst konnte in der Regel unter trockenen Bedingungen stattfinden. Regenbedingte Unterbrechungen gab es im September zwar, jedoch konnten im trockenen Oktober noch sehr gute Saattermine realisiert werden. Durch hohe Luft- und Bodentemperaturen, gleichzeitig ohne typische Herbstnässe war die Entwicklung der spät gesäten Bestände vor Winter noch sehr stark und ausreichend, während früh gesäte Bestände teilweise sehr dicht wurden und zum Überwachsen neigten.
Auswinterung war in der Frostphase Mitte Dezember dennoch kein Problem. Das zurückliegende Anbaujahr war geprägt durch Nässe ausgangs des Winters mit nicht gegebener Befahrbarkeit. Insgesamt war es ein spätes und kühles Frühjahr. Oftmals konnte die Andüngung erst spät stattfinden, und auch der geplante Einsatz organischer Dünger war aufgrund des Aufbringungsverbotes stickstoff- und phosphathaltiger Düngemittel bei gefrorenen Böden laut Düngeverordnung nicht umsetzbar.
Vielfach auftretender Mehltau und in anfälligen Sorten Rhynchosporium sorgten für Blatt- und Triebverluste, aber aufgrund der starken Vorwinterentwicklung haben sich im weiteren Vegetationsverlauf meist ausreichend starke Bestände entwickelt.
Sorgen um die Wasserversorgung
Die Trockenheit ab Mitte Mai und im Juni ließ die Pilzkrankheiten in den Hintergrund rücken, da diese sich nicht weiter in den Beständen ausbreiten konnten. Sorgen um die Wasserversorgung musste man sich allerdings machen, da bereits ab Anfang Juni in leichten Teilbereichen der Schläge trockenbedingte Aufhellungen zu verzeichnen waren. Die Kornfüllung wurde dann mit hoher Sonneneinstrahlung abgeschlossen, aber dort schnell beendet, wo die Wasservorräte früh aufgebraucht waren. An diesen Standorten wurden damit die Ertragserwartungen nicht erfüllt, und auch die Kornqualität (Hektolitergewicht und Sortierung) ist entsprechend unbefriedigend.
Aufbau der Landessortenversuche
Die Landessortenversuche Wintergerste werden in den drei Naturräumen Marsch, Geest und Östliches Hügelland an jeweils repräsentativen Standorten angelegt. Der Pflanzenschutz erfolgt bei den Herbiziden und Insektiziden versuchseinheitlich nach guter fachlicher Praxis. Ebenso erfolgt die Grundnährstoff- und Stickstoffdüngung versuchseinheitlich und DÜV-konform nach entsprechender Bedarfsermittlung. Die Geest-Standorte werden hierbei als Rotes Gebiet betrachtet, mit einer um 20 % gegenüber dem errechneten Bedarf reduzierten Stickstoffdüngung.
Stickstoff wird in der Wintergerste grundsätzlich startbetont in einer Zwei-Gaben-Strategie appliziert, wobei zu Vegetationsbeginn der Schwefelbedarf der Pflanze mit rund 30 kg S/ha abgesichert wird. In der unbehandelten Stufe 1 wird auf einen Einsatz von Fungiziden gezielt verzichtet, um die Sortengesundheit beurteilen zu können. Ebenso wird je nach Lagerdruck lediglich eine deutlich reduzierte Wachstumsreglerapplikation durchgeführt, um die Lageranfälligkeit beurteilen zu können, ohne dabei die Beerntbarkeit durch Lager zu gefährden.
In der behandelten Stufe 2 wird ein ortsüblicher Fungizid- und Wachstumsreglereinsatz durchgeführt. Für die statistische Auswertung stehen damit je Standort und Sorte mindestens zwei Wiederholungen der unbehandelten Stufe 1 und drei Wiederholungen der behandelten Stufe 2 zur Verfügung.
Erträge in den Versuchen
Die erreichten Ertragsniveaus an den einzelnen Standorten weichen, insbesondere auf den schwächeren Standorten der Geest, vom ertragsstarken Vorjahr ab. Während im Vorjahr Schuby einen Ertrag von rund 96 dt/ha erreichte, sind in diesem Jahr lediglich 65 dt/ha im Mittel der Bezugssorten geerntet worden. Dies kann eindeutig auf die schlechtere Wasserversorgung während der Blüte und Kornfüllung in Verbindung mit hohen Temperaturen zurückgeführt werden. Auch am Standort Tensbüttel, mit leicht besserer Bodengüte, wurde dasselbe Ertragsniveau von 65,3 dt/ha erzielt (Tabelle 2). Die Marsch erreichte ein akzeptables Ertragsniveau von 107,2 dt/ha in Barlt und 103,3 dt/ha im Sönke-Nissen-Koog (Tabelle 1).
Von den Standorten des Östlichen Hügellandes (Tabelle 3) erreichte Futterkamp mit 130,2 dt/ha ein sehr hohes Ertragsniveau, was jedoch zu großen Teilen mit der guten Wasserversorgung der Versuchsflächen begründet werden kann. Am trockeneren Standort Kastorf wurde mit 112 dt/ ha ein für dieses Jahr zufriedenstellendes Ertragsniveau erreicht.
In Loit lag das Ertragsniveau der beiden Behandlungsstufen auf gleichem Niveau, zudem kann nach den Beobachtungen und Bonituren der Krankheitsdruck als insgesamt gering beschrieben werden. Entsprechend wurden für die Auswertung die Stufen 1 und 2 zusammen verrechnet, und der Ertrag lag bei 107,5 dt/ha. Demzufolge ist auch in der Ausweisung der Ertragsdifferenz zwischen beiden Intensitätsstufen Loit nicht für den Naturraum Östliches Hügelland berücksichtigt. Als Grund für die Ertragsgleichheit zwischen beiden Stufen kann angenommen werden, dass bedingt durch die kühle Frühjahrswitterung die intensivere Wachstumsregleranwendung in der Stufe 2 zu einer Ertragsbegrenzung geführt hat.
Qualitäten im Versuch
Während die Praxis teilweise Partien mit sehr schwachem Hektolitergewicht geerntet hat, sind die Ergebnisse für die Geeststandorte hier in den Versuchen zwar schwach und liegen unterhalb der geforderten Werte von 63 kg/100 l, jedoch auf einem noch zufriedenstellenden Niveau (Tabelle 4). Auffällig sind dabei die niedrigen Tausendkornmassen, die oftmals bei rund 30 g/1.000 Körner (K.). lagen, was eine schlechte Sortierung nach sich zieht.
An den Standorten der Marsch und des Östlichen Hügellandes waren die Werte insgesamt besser und teils auf sehr hohem Niveau, und auch die Tausendkornmassen lagen auf dem üblichen Niveau von 45 bis 55 g/1.000 K. Der Standort Loit hatte allerdings schwächere Hektolitergewichte. Lediglich bei den zweizeiligen Sorten und einer mehrzeiligen Sorte wurden die Handelsanforderungen eingehalten.
Empfohlene Sorten für den Anbau
Eine Anbauwürdigkeit im Betrieb haben Sorten, die bislang zufriedenstellend und angepasst im eigenen Betrieb funktionieren. Da nicht alle am Markt verfügbaren Sorten in den aktuellen Landessortenversuchen stehen können, sind Sorten, die in der Vergangenheit in den LSV stark geprüft wurden und sich in der Praxis etabliert haben, anbauwürdig. Hierzu gehört beispielsweise die ältere Sorte ‚KWS Higgins‘, die in der Praxis erfolgreich etabliert ist und in einzelnen Versuchen immer noch Erträge knapp auf Verrechnungsniveau mit gleichzeitig guter Qualität erreicht.
Die in den Naturräumen empfohlenen Sorten sind in den Tabellen 5 bis 7 mit ihren jeweiligen Eigenschaften dargestellt.
Aus dem aktuell im LSV geprüften Sortiment empfiehlt sich nach wie vor die Sorte ‚KWS Orbit‘, die mittlerweile leicht unter dem Ertragsmittel liegt, aber in der Regel trotz Schwächen in der Blattgesundheit gute Qualitäten sicherstellt. Die Sorte ‚Esprit‘ ist ebenso auf allen Standorten empfohlen, da sie bereits in den Vorjahren sicher überdurchschnittliche Erträge mit guter Qualität gezeigt hat. Dabei muss sie hinsichtlich Zwergrost intensiver beobachtet werden.
Speziell für die Marsch empfiehlt sich die Sorte ‚Viola‘ mit früherer Reife und hoher Standfestigkeit, wobei die Schwäche im Hektolitergewicht in der Marsch bislang unproblematisch war. Für bessere Standorte des Östlichen Hügellandes empfiehlt sich noch die Sorte ‚Teuto‘, die, ausgestattet mit einer guten Blattgesundheit, mittlere bis überdurchschnittliche Erträge realisiert. Weiterhin empfohlen ist ‚Jule‘, die insgesamt gute Erträge bei guter Qualität realisiert.
Resistenzen und Toleranzen
Von den Sorten mit zusätzlichen Resistenzen gegen das Gelbmosaikvirus Typ 2 hat bereits in den vergangenen Jahren ‚SU Midnight‘ sehr hohe Erträge auf dem Niveau von ‚Esprit‘ erreicht und damit die Ertragslücke zu den anderen Liniensorten geschlossen. ‚SU Midnight‘ hat aber eine deutliche Anfälligkeit für Rhynchosporium, die berücksichtigt werden muss.
Die beiden neuen Sorten ‚Julia‘ und ‚Avantasia‘ haben neben der Toleranz gegen das Gelbmosaikvirus Typ 2 aber keine Toleranz gegen das Milde Gerstenmosaikvirus, die ansonsten alle geprüften Sorten aufweisen. Beide Sorten zeigten aber in den LSV der zurückliegenden beiden Jahre starke, überdurchschnittliche Erträge und sind daher für alle Standorte empfohlen. ‚Avantasia‘ hat dabei eine etwas höhere Anfälligkeit für Zwergrost, die berücksichtigt werden muss. ‚Julia‘ hat das etwas günstigere Gesamtprofil aufgrund der besseren Blattgesundheit.
Hinsichtlich des Hektolitergewichtes sind die drei letztgenannten Sorten nur mittelstark einzuschätzen, was in den zurückliegenden Anbaujahren aber bislang kein Problem dargestellt hat. Für den Probeanbau empfiehlt sich die Sorte ‚SU Hetti‘, die eine Resistenz gegen Gelbmosaikvirus Typ 2 aufweist und mittlere bis gute Erträge gezeigt hat. Dabei weist sie Spitzenwerte in der Standfestigkeit und Strohstabilität auf und zeigt gute Hektolitergewichte. Jedoch muss hier im Handel die Saatgutverfügbarkeit abgeklärt werden.
Von den Hybridsorten empfiehlt sich die Sorte ‚SY Galileoo‘, die nun über Jahre hinweg konstant hohe Erträge erreicht hat und im Anbau universell eingesetzt werden kann. Speziell in der Marsch hat auch die etwas frühere Sorte ‚Jettoo‘ eine Anbauempfehlung, da sie hier ebenso ein sehr hohes Ertragsniveau erreicht hat. Eine sehr interessante Alternative ist die Sorte ‚SY Dakoota‘, die mit früherer Reife und sehr guten Werten im Hektolitergewicht punkten kann. Sie hat bei gleichem Ertragsniveau wie ‚SY Galileoo‘ zudem noch deutlich günstigere agronomische Eigenschaften durch ihre gute Standfestigkeit und bessere Strohstabilität.
Unter Praxisbedingungen sollte die Aussaatstärke von Hybriden standortabhängig und unter Normalsaatbedingungen (gute, moderne Drilltechnik vorausgesetzt) 160 bis 220 K./m2 betragen.
Fazit
Das Anbaujahr hat wieder viele Herausforderungen bereitgehalten. Bedingt durch den Klimawandel hat der milde Spätherbst eine starke Entwicklung zugelassen, wodurch die Erträge auch von später gesäten Wintergerstenbeständen gut mithalten konnten. Gleichzeitig sind die erzielten Erträge auf einem angesichts der Trockenheit im Mai und Juni noch zufriedenstellenden Niveau. Die Sortenwahl bei der Wintergerste sollte neben den Ertragsaspekten auch die Sortengesundheit und die Qualitätseigenschaften berücksichtigen. Grundsätzlich sollten, ausreichende Anbaufläche vorausgesetzt, verschiedene Sorten im Betrieb genutzt werden, um das Anbaurisiko zu minimieren.